Millionenschwache Ethik

■ Handball: Streit nach Fan-Herzinfarkt nimmt skurrile Züge an

38 Sekunden vor dem Ende der Partie des 3. Spieltages zwischen der SG Bad Schwartau-Lübeck und dem TBV Lemgo musste das Spiel abgebrochen werden. Ein Zuschauer erlitt während der Schlussphase einen Herzinfarkt. Der Bad Schwartau-Fan verstarb noch in der Lübecker Hansehalle.

Zu diesem Zeitpunkt führte die SG Bad Schwartau-Lübeck mit 21:20 und war im Ballbesitz. Als „faire Geste“ wollte SG-Trainer Anders Fältnäs dem TBV Lemgo eine Punkteteilung anbieten. „Wir wollten Lemgo den Ball geben, um der Mannschaft den Ausgleich zu ermöglichen. Meine Mannschaft hätte sich dann zurückgehalten.“ Lemgo lehnte dies jedoch ab und beharrte auf einen Spielabbruch. Wie Lemgo-Manager Fynn Holpert später gestand, ginge es auch für den TBV „um Millionen“ – da plädiert man schon einmal für ein Wiederho-lungsspiel, wenn eine Pleite droht. Der Titel „moralischer Sieger“, so Holpert, gehöre aber der SG.

Heinz Jacobsen, Vorsitzender des Liga-Ausschusses, bemerkte, dass für Bad Schwartau die Situa-tion zwar „höchst unbefriedigend“ sei, aber „nach meiner Einschätzung keine andere Entscheidung möglich war“. Also sprach wenige Tage später Bundesliga-Spielleiter Uwe Stemberg das „justiziable“ Präzedenzurteil:„Das Spiel muss neu ausgetragen werden, weil es nicht über 60 Minuten gespielt wurde und deshalb nicht gewertet werden kann.“

Während Lemgo diese Entscheidung akzeptierte, wollen die um die Punkte gebrachten Bad Schwartauer den Entschluss des Deutschen Handball-Bundes (DHB) beim Bundessportgericht anfechten. Dies sei man den Fans und der Mannschaft schuldig, erklärte SG-Manager Sascha Schlichte. Wenige Tage zuvor hatte dieser noch behauptet, ein möglicher Einspruch wäre „ethisch nicht zu vertreten“.

Nach dem Entschluss des DHB wollte man mit Ethik nun nichts mehr zu tun haben. Voraussetzung für eine Neuansetzung sei, so die Argumentation der Schwartauer, dass beide Mannschaften das Spiel wieder hätten aufnehmen können. Da Lemgo dies abgelehnt hatte, wäre der Abbruch von Seiten der Lemgoer ausgegangen. Folge dieser Argumentationskonstruktion wären zwei Punkte für die SG.

Statt auf die Punkte zu beharren, könnte die SG aber auch dem Wiederholungsspiel zustimmen, es dem Verstorbenen widmen und den TBV Lemgo sportlich statt verbal aus der Halle fegen. Mike Liem/cip/dpa