„Eher psychologisch“

Lars Becker hat einen Krimi jenseits üblicher Genreklischees gedreht. Am Ende von „Rette Deine Haut!“ sind die Frauen die Stärkeren (20.15, ZDF)

Bestechung, Freundschaft, Verrat: Vier Hamburger Kriminalbeamte finanzieren sich mit gelegentlichen Tipps an den Bordellbesitzer Landwehr (Alexander Hörbe) einen halbwegs aufwändigen Lebensstil. Plötzlich gerät dieses lukrative System aus den Fugen, der „Geschäftspartner“ ist festgenommen und verlangt nun von dem Quartett, die entflohene Kronzeugin aus dem Weg zu schaffen. Drehbuchautor und Regisseur Lars Becker macht sonst vor allem Kino („Das Leben ist eine Baustelle“, „Kanak Attack“) und denkt auch beim Thema Krimi über die übliche Fernsehdutzendware hinaus.

taz: Krimis gibt es im Fernsehen eigentlich genug – was reizt Sie an dem Genre?

Lars Becker: Mich hat nicht der Krimi an sich interessiert, sondern ich wollte eine Geschichte machen, die sich von dem typischen Genremodell entfernt und nicht an der klassischen und weit verbreiteten Rollenverteilung vom good guy und bad guy festhält. Eine Geschichte, die das Genre sozusagen neu begreift, in der nicht so sehr die Ermittlung und eine Tat im Vordergrund stehen, sondern die sich um die Personen kümmert – eher psychologisch, wenn man so will.

Sie halten sich trotzdem an Regeln und Typisierungen des Genres, wie zum Beispiel bei der Figur der Rotlichtgröße Theo Landwehr . . .

An bestimmte Regeln muss man sich halten, auch wenn ich davon überzeugt bin, dass die Genregrenzen mehr und mehr verwischen, das ist ja in der Musik genauso. Diese ganz strenge Trennung zwischen Komödie, Krimi, Drama und Beziehungsfilm hat ja schon lange ihre Gültigkeit verloren. Die Fernsehzuschauer erwarten inzwischen viel stärker, dass auch der Hintergrund von Figuren erzählt wird. Gerade die anspruchsvollen internationalen Fernsehproduktionen der letzten Jahre, ganz besonders aus England, Frankreich oder den USA, wie z. B. die „Sopranos“, schaffen innerhalb dieses Genres durch witzige, amüsante und hoch unterhaltende Geschichten einen Spannungsgewinn, der außerhalb von waffenstarrenden Konstellationen und Banküberfällen stattfindet.

Die Polizei kommt bei „Rette Deine Haut!“ ja gar nicht gut weg: Vom Kommissar bis zum Polizeichef sind alle Figuren korrupt. Ist diese Darstellung denn realistisch?

Die Weste der Polizei ist schon lange nicht mehr weiß, das wird in Frankreich und den USA ja schon länger in Filmen thematisiert. Und Korruption ist ja nicht branchenspezifisch: Das könnte bei der Feuerwehr sein, bei Banken oder beim Mannesmann-Mobilfunk-Deal, wo ja auch mit Millionen hantiert wurde, und die Leute sich hinterher fragen, wofür diese Summen gezahlt werden.

Wäre es denn für Sie noch spannend, die Polizei auch als die gute Seite dazustellen?

Doch, das halte ich für genauso spannend. Im Film kriegt ja der jüngste Polizist, Rudi, den Ken Duken spielt, nach und nach wieder die Kurve: Er entwickelt eine moralische Haltung und sagt: „Das geht mir zu weit“ – auch wenn das auf Kosten seiner Partner und Kumpel passiert. Dieser Widerspruch wird stark formuliert – und insofern ist eine gewisse Ehrenrettung für die Polizei da. „Rette Deine Haut!“ ist also keinerlei Plädoyer gegen die Polizei.

Was im Film auffällt, ist der Gegensatz zwischen den schwachen Männern, die der Versuchung nicht widerstehen und den starken (Ehe-)Frauenrollen, die die Sache in die Hand nehmen.

Es fängt ja genretypisch männerorientiert an: Vier Polizisten auf der Jagd nach ’ner Handvoll Gangster. Aber das bricht sich sehr schnell, schon beim ersten Verhör und dann tropfenweise immer mehr, bis die Frauen die Männer nach der Hälfte in der Gewichtung überholen. Die Rolle der Emma (Katharina Böhm) ist dann entscheidend, denn sie macht die stärkste Wandlung durch, bricht aus den durch Bestechungselder finanzierten Lebensverhältnissen aus, in denen sie oberflächlich alle Probleme verdrängt hat, aus. Das war die dramaturgische Idee – die Frauen gewinnen und stärker werden zu lassen.

Interview: DANIEL FERSCH