: Der Datenschutz fällt durchs Raster
Polizeibeamte fühlen sich auf die Rasterfahndung nicht ausreichend vorbereitet. Datenschützer und Bürgerrechtler fürchten Nachteile für Unbeteiligte
von LUKAS WALLRAFF und JEANNETTE GODDAR
Nicht nur Datenschützer, Juristen und Vertreter der Muslime kritisieren die gestern angelaufene Rasterfahndung nach islamistischen Extremisten. Auch bei der Polizei selbst hält sich die Begeisterung in engen Grenzen: „Das ist eine Riesenaufgabe, auf die wir nicht vorbereitet sind“, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Eike Bleibtreu, gestern der taz.
Grundsätzlich sei die Rasterfahndung zwar ein richtiges Mittel, um den Kreis der möglichen Verdächtigen einzuengen, betonte Bleibtreu. Durch den Abgleich relevanter Datenbanken mit geeigneten Suchkriterien könne es gelingen, potenziellen Attentätern auf die Spur zu kommen.
Für problematisch hält er aber die kurze Vorbereitungszeit und den Personalmangel bei der Polizei: „Das müssen Experten machen, die das wirklich können.“ Eine so umfangreiche Aktion könne nur erfolgreich sein, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien: Genug qualifiziertes Personal, genug Technik und – vor allem – seriös ausgearbeitete Suchkriterien. „Sonst besteht die Gefahr, dass viele durchs Netz fallen.“
Auch der Berliner Landeschef der Polizeigewerkschaft (GdP), Eberhard Schönberg, sieht große Probleme bei der Durchführung der Rasterfahndung. In Berlin müssten die Beamten dafür „zusammengekratzt werden“. Das habe Folgen: „Unterdessen wird die normale Kriminalität nur noch verwaltet und abgelegt.“
Trotz des beklagten Personalmangels wollen die Polizisten den Beschluss der Innenminister umsetzen. „Wenn wir den Auftrag kriegen, dann tun wir das“, sagte Bleibtreu. „Wir werden versuchen, das Beste daraus zu machen.“ Genau vor diesem Eifer der Polizei graust es Datenschützern und Bürgerrechtlern.
So forderte der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka die Polizei auf, sich streng an die richterlich festgelegten Kriterien zu halten: „Wir werden genau überprüfen, welche Daten erhoben werden – und ob in Fällen, in denen sich die Erhebung als unnötig herausstellt, die Daten Unschuldiger auch wieder gelöscht werden.“
Kritik an der Rasterfahndung äußerte der Bundesvorsitzende des Republikanischen Anwaltsvereins, Wolfgang Kaleck. Dass ganze Bevölkerungsgruppen ohne konkreten Anfangsverdacht in den Bereich polizeilicher Ermittlungen gerieten, sei ein schwer wiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte jedes Überprüften, sagte Kaleck.
Die genauen Suchkriterien wollen die Behörden nicht preisgeben, auf jeden Fall zählt dazu aber die islamische Religionszugehörigkeit. Um so genannte Schläfer zu finden, wird auch nach Studenten technischer Fächer gesucht, die mehrsprachig und kinderlos sind.
Kaleck befürchtet, dass wesentlich mehr unbescholtene Menschen in das Visier der Polizei geraten als zu Zeiten der RAF-Fahndung. „Das ist doch kein Raster – das heißt auf deutsch: Jeder Araber wird verdächtigt.“ Kaleck warnte vor einer „Ethnisierung polizeilicher Fahndungsmethoden“. Ob eine Klage einzelner Betroffener Aussicht auf Erfolg habe, werde derzeit geprüft.
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