Haftstrafen verlangt

Viermal lebenslänglich forderte die Staatsanwaltschaft im La-Belle-Prozess. Das Attentat in Berlin sei ein Akt des Staatsterrorismus gewesen

BERLIN taz ■ Mit den Plädoyers der Staatsanwaltschaft begann gestern die Endphase im Prozess um den Bombenanschlag auf die Diskothek La Belle im April 1986 in Berlin-Friedenau. Fünfzehn Jahre nach dem Attentat, bei dem zwei US-Soldaten und eine türkische Frau starben und mehr als 230 Menschen verletzt wurden, sah Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis die Vorwürfe gegen vier der fünf angeklagten Männer und Frauen im Alter zwischen 36 und 44 Jahren bestätigt. Mehlis forderte vor der 39. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts lebenslange Haftstrafen für die Hauptangeklagten – den staatenlosen Palästinenser Yasser Chraidi, den im Libanon aufgewachsenen Palästinenser mit deutscher Staatsbürgerschaft Ali Chanaa und dessen ehemalige Ehefrau Verena Chanaa. Die Vorwürfe: dreifacher Mord, 104facher Mordversuch und Herbeiführung eines Sprengstoffattentats. Auch für den wegen Beihilfe angeklagten Musbah Eter, Exmitarbeiter der libyschen Botschaft in Ost-Berlin und mutmaßlicher Geheimdienstmann, forderte Mehlis lebenslänglich. Für die ebenfalls wegen Beihilfe angeklagte Andrea Häusler plädierte die Staatsanwaltschaft auf Freispruch.

„Die Hauptverhandlung hat den Vorwurf des Staatsterrorismus zweifelsfrei bestätigt“, fasste der Oberstaatsanwalt die mühsame Beweisführung gegen die Drahtzieher des Anschlags in den letzten vier Jahren zusammen. Die Behörden Libyens hätten „durch Dritte und eigene Diplomaten gebombt“, das sei ein terroristischer Akt gegen die USA gewesen. Der La-Belle-Anschlag gilt als Reaktion auf die Versenkung libyscher Kriegsschiffe durch US-amerikanische Kampfflugzeuge über dem Mittelmeer. Zehn Tage nach dem Attentat ließ der damalige US-Präsident Ronald Reagan die libyschen Städte Tripolis und Bengasi bombardieren, um Staatschef Muammar al-Gaddafi zu töten.

Als 1990 die Stasi-Archive geöffnet wurden, trugen diese Quellen wesentlich zur Anklageerhebung bei. Aber außenpolitische Interessen erschwerten die Wahrheitsfindung. Zwar war im Frühsommer diesen Jahres aus einem vertraulichen Gesprächsprotokoll zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George Bush der Kanzlerberater Manfred Steiner mit dem Satz zitiert worden, Libyens Staatschef Gaddafi habe eine Beteiligung an terroristischen Aktivitäten eingestanden.

Vor dem Landgericht zur Sache aussagen durften die Beteiligten jedoch nicht. Das ist vor allem für die über 100 Nebenkläger von Bedeutung, deren Anwälte nach der Staatsanwaltschaft plädieren werden. Sie wollen Unterstützung von der Bundesregierung bei Schmerzensgeldforderungen an die libysche Regierung. Das kann noch dauern. Beobachter rechnen erst zum Jahresende mit Urteilen.

HKL