Ein Kilo Opiumpaste für 90 US-Dollar

Afghanistan ist der größte Opiumlieferant. Seit den Anschlägen in den USA sinken die Preise. Der Grund: Die Drogenhändler stoßen ihre Bestände ab

BERLIN taz ■ Der Preis für Opium aus Afghanistan, das im vergangenen Jahr 70 Prozent des weltweiten Opiums produzierte, ist nach den Anschlägen in den USA drastisch gesunken. „In Afghanistan fiel der Preis von 700 US-Dollar pro Kilogramm Opiumpaste in den zwei Wochen nach den Anschlägen auf 90 Dollar“, sagte der Sprecher des UN-Büros für Drogenkontrolle und Verbrechensprävention (UNDCP) in Wien, Kemal Kurspahic, gestern der taz. Diese Preise hätte das für Afghanistan zuständige Regionalbüro im pakistanischen Islamabad ermittelt. Der Preisverfall beträfe Afghanistan und die Nachbarländer, über die der Drogenhandel abgewickelt werde.

Kurspahic führt den Preissturz darauf zurück, dass jetzt große Lagerbestände auf den Markt geworfen würden. „Diejenigen, die die Drogenbestände kontrollieren, haben offenbar Angst, dass diese bald zerstört werden könnten.“ Über die noch in Afghanistan lagernden Bestände wollte er keine Schätzung abgeben. Laut UNDCP stammen 96 Prozent des afghanischen Opiums aus Gebieten, die von der Taliban-Miliz kontrolliert sind. Der Rest stammt aus Gebieten der Nordallianz.

Wenn die jetzigen Drogenvorräte konsumiert sind, sei mit einem drastischen Preisanstieg zu rechnen, so Kurspahic. Aus afghanischem Opium werden 70 bis 90 Prozent des in Europa konsumierten Heroins gewonnen. „Für nächstes Jahr erwarten wir eine Heroin-Knappheit in Europa.“

In Afghanistan wurden laut UNDCP im vergangenen Jahr 3.300 Tonnen Opium produziert. 1999 waren es bei einer Rekordernte noch 4.600 Tonnen gewesen, im Jahr zuvor 2.500. Für den Rückgang ist neben der Dürre auch ein von den Taliban im Juli durchgesetztes Verbot des Mohnanbaus verantwortlich. Mit dem religiös begründeten Verbot, das zu einem 97-prozentigen Rückgang der Opiumproduktion geführt haben soll, hatten diese versucht, internationale Sanktionen abzuwenden. Die Taliban hatten ihren Weg zur Macht mit der Besteuerung des Mohnanbaus finanziert.

Jetzt gebe es laut Kurspahic „Drohungen von Elementen der Taliban“, den Drogenanbau wieder auszuweiten, falls Afghanistan angegriffen würde. Allerdings sei unklar, wie Taliban-Chef Mullah Omar darüber denke. Noch am 3. September habe dieser betont, dass das Mohnanbauverbot in Kraft bleibe. Fraglich ist auch, was die Produzenten in diesen Tagen aussäen. Die Bauern könnten den Mohnanbau nun in der Erwartung ausweiten, dass die Taliban nicht mehr lange an der Macht sind.

Bis zum Einmarsch sowjetischer Truppen 1979 wurden in Afghanistan jährlich zwischen 200 und 400 Tonnen Opium produziert. Danach stieg die Produktion stark an. Zum einen sollten mit Drogengeldern Waffen für den Widerstand gekauft werden. Zum anderen hofften die Geheimdienste Pakistans und der USA, sowjetische Soldaten drogenabhängig zu machen. 1989, beim Abzug der Sowjets, wurden bereits 1.200 Tonnen Opium produziert. Danach kompensierten die rivalisierenden Mudschaheddin-Fraktionen mit dem wachsenden Drogenanbau die ausbleibende ausländische Unterstützung. SVEN HANSEN