Ein neuer, guter Freund in der Anti-Terror-Allianz

Die USA brauchen Usbekistan für Angriffe auf Afghanistan. Erste Truppen sind stationiert. Am autokratischen Regime stört man sich da wenig

MOSKAU ■ taz Als US-Präsident George W. Bush Ende September die Islamische Bewegung Usbekistans (Özbekistan Islomiy Harakati, ÖIH) als Beispiel nannte, wie engmaschig das islamistische Netzwerk Bin Ladens bereits geknüpft sei und ankündigte, die Konten der Bewegung zu sperrren, muss das ein Moment besonderer Genugtuung für den usbekischen Präsidenten Islam Karimow gewesen sein. Seit Jahr und Tag versucht er nämlich, im Westen Unterstützung gegen den islamistischen Fundamentalismus in seinem Land zu mobilisieren. Noch im vergangenen Jahr sprach der Autokrat aus Zentralasien in Berlin vor und bat um Militärhilfe, um nicht wieder in die Abhängigkeit der ehemaligen Kolonialmacht Russland zu geraten.

Seine Bitte wurde nicht erhört. Aus gutem Grund. Der Staatschef führt in Taschkent ein Regime, das sich um Demokratie und Menschenrechte einen Teufel schert. Nach Anschlägen 1999 und 2000, die pauschal islamistischen Radikalen zugeschrieben wurden, veranstaltete die Kamarilla um Karimow eine beispiellose Jagd auf islamische Aktivisten. Oftmals reiche schon ein langer Bart, der Besitz religiöser Literatur oder der Besuch einer nicht registrierten Moschee, um verhaftet zu werden, berichten Menschenrechtsorganisationen. Mit der säkularen demokratischen Opposition verfährt das Regime nicht schonender.

Auf der Suche nach Verbündeten für eine breite Anti-Terror-Allianz gerinnen solche Fakten zu störenden Details. Usbekistan ist für eine Operation gegen die Taliban unerlässlich. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld holte sich Ende letzter Woche in Taschkent die Erlaubnis zur Stationierung US-amerikanischer Einheiten. Karimow betonte zwar, dass sie sich nur auf humanitäre und logistische Einrichtungen beschränke. Dabei wird es natürlich nicht bleiben. Karimow baut der zu erwartenden Kritik auch aus gemässigten Kreisen des Islam vor.

Zu kommunistischen Zeiten diente Usbekistan bereits als Aufmarschplatz sowjetischer Afghanistantruppen. Das militärische Erbe ist noch recht gut in Schuss. Militärflugplätze bei Taschkent, Karschi und in Kagaidy in der Nähe der usbekischen Grenzstadt Termes können sofort genutzt werden. Es ist kein Zufall, dass die Taliban gestern Ausrüstung und Kräfte in Mazaar-i-Scharif, zwanzig Kilometer von Termes entfernt, in Stellung brachten.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR 1990 wurde dem bevölkerungsreichsten Staat Zentralasiens im Westen eine blühende Zukunft vorausgesagt. Das Land hat Gas, Öl, Gold, Baumwolle und eine ertragreiche Landwirtschaft zu bieten. Zudem ging Taschkent auf deutliche Distanz zu Moskau und scherte sogar aus dem Verteidigungsbündnis der GUS aus.

Die Erwartungen löste das Regime Karimow indes nicht ein. Inzwischen liegt Usbekistan nach dem ärmsten und von Bürgerkriegen gebeutelten Land der Region, Tadschikistan, bei ausländischen Investitionen schon an vorletzter Stelle. Bürokratie, Willkür, Clanwirtschaft und die Angst vor der Unerbittlichkeit des Präsidenten blockieren jeden wirtschaftlichen Fortschritt.

Das Ergebnis liegt auf der Hand, die Bevölkerung verarmt zunehmend und gerade junge Usebeken suchen Antworten und Zuflucht bei islamischen Gruppen. Viele dieser Gruppierungen hatten ursprünglich keineswegs den radikalen Islam auf ihre Fahnen geschrieben. Gleichwohl gab es auch diese. Die Keimzelle der Islamischen Bewegung Usbekistans (ÖIH) bildete sich noch zu der Zeit der Sowjetunion heraus. Die politische Bewegung „Adolat“ forderte Religionsfreiheit für die muslimische Bevölkerung. Nach der Unabhängigkeit legte der usbekische Präsident, vorher Chef der kommunistischen Partei der Sowjetrepublik, den Amtseid auf den Koran ab. 1992 ließ er indes die Bewegung Adolat verbieten und führende Mitglieder einkerkern. Grund hierfür war nicht allein der religiöse Fanatismus, sondern die Befürchtung, die eigene Macht könnte von ihnen herausgefordert werden.

Das Zentrum der Bewegung liegt im einst reichen Fergana-Tal, dessen Einwohner inzwischen zu den ärmsten des Landes zählen. Auch der Anführer der OIH, Dschuma Chodschijew – seine Anhänger nennen ihn Namangani –, stammt aus Fergana, das an Kirgisien und Tadschikistan grenzt. Dorthin floh der Warlord 1992 und schloss sich mit seiner Miliz im Bürgerkrieg des Nachbarstaats den islamistischen Kräften an. Mit Ende des Bruderzwists verlor Namangani schlagartig an Einfluss. Denn seither bemüht sich Duschanbe, die islamische Opposition mit in die Regierung einzubinden. Eine halbwegs erfolgreiche Politik, die das paranoide Regime in Taschkent indes nicht nachahmenswert findet.

Namangani, der für ehemalige Weggefährten zu einer Belastung wurde, soll sich seit 1997 in Afghanistan aufhalten. Laut usbekischen Quellen trafen er und der politische Kopf der ÖIH, Tachir Juldaschew, dort mehrfach mit Bin Laden zusammen. Die „Gotteskrieger“ der ÖIH kämpfen seit langem mit den Taliban gegen den Rest der Welt und zeichnen sich angeblich durch extreme Gewaltbereitschaft aus.

Mit Gegengewalt ist die islamische Frage in Usbekistan nicht zu lösen. Nur materielle Hilfe der internationalen Gemeinschaft kann den Sumpf der Namanganis und Konsorten im Fergana-Tal trockenlegen. Und es würde auch nichts schaden, Karimow deutlich zu machen, dass er am erfolgreichsten den militanten Nachwuchs der islamischen Radikalen rekrutiert.

KLAUS-HELGE DONATH