„Nicht mit Ja oder Nein antworten“

Die grüne Spitzenkandidatin Sibyll Klotz ist skeptisch gegenüber der von Kanzler Gerhard Schröder geforderten deutschen Beteiligung an Militärschlägen: „Bisher ist das Vorgehen nicht in ein politisches Konzept eingebunden.“

taz: Frau Klotz, der kleine Parteitag der Grünen hat Militärschläge unter Einschränkungen befürwortet. Einen Tag später wurde der Flughafen von Kandahar bombardiert, es gibt erste Meldungen über zivile Opfer. Tragen Sie den Einsatz mit?

Sibyll Klotz: Ich will den Einsatz jetzt noch nicht bewerten. Mein Eindruck ist, dass man sehr zielgerichtet gegen militärische Objekte vorgegangen ist. Wenn dem so ist, ist das durch den Beschluss des Länderrats abgedeckt.

Sollen die Grünen einer deutschen Beteiligung zustimmen?

Das ist so nicht zu beantworten. Es ist abzuwarten, wie die weiteren militärischen Schritte aussehen und ob das Primat der Politik erhalten bleibt. Bisher ist das Vorgehen zum Beispiel nicht in ein politisches Konzept eingebunden.

Wie wollen Sie Ihrer linken Wählerschaft Ihre veränderte Sicherheitspolitik erklären?

Die Wählerschaft erwartet, dass wir uns vor dem Thema Innere Sicherheit nicht wegducken, sondern Stellung beziehen. Und zwar als Bürgerrechtspartei, die eben nicht den Datenschutz abschaffen will, die aber die Situation ernst nimmt.

In der Erklärung des Länderrats heißt es: „Sofern einzelne Datenschutzbestimmungen einem Mehr an Sicherheit entgegenstünden, sind wir bereit, diese zu überprüfen?“ Datenschutz gleich Tatenschutz?

Man kann nicht so tun, als hätte sich nichts geändert. Man muss aber die geplanten Maßnahmen danach prüfen, ob sie dazu beitragen, den Terrorismus zu bekämpfen.

Wie sieht die grüne Innere Sicherheit aus?

Die Grenzen sind beim Fingerabdruck im Personalausweis oder der Kronzeugenregelung erreicht. Auch die Ausweitung der Rasterfahndung kritisieren wir.

Das Sicherheitsthema überlagert alles. Ist Ihr Anti-Korruptions-Wahlkampf gelaufen?

Nein. Die Menschen wollen genau wissen: Wo kommt die Kohle her, wie sieht es an den Schulen aus, wie schaffen wir Arbeitsplätze? Sicherheit ist nicht Thema Nummer Eins.

Die Grünen gelten bei dem Thema Sicherheit als Verlierer.

Nein! Wir sind diejenigen, die verhindern, dass sämtliche Bürger- und Freiheitsrechte auf dem Altar der Inneren Sicherheit geopfert werden. Es wird von uns erwartet, dass wir Sicherheit nicht nur militärisch oder polizeilich definieren.

Sondern?

Das Thema Innere Sicherheit muss weiter gefasst werden, etwa als kultureller Dialog zwischen den Vertretern der Religionen, Belebung von öffentlichen Räumen, Präventionsräten in den Kiezen. Das tun nur wir.

Mit welchem Adjektiv würden Sie die Haltung der Grünen zum Thema Sicherheit beschreiben?

Sehr differenziert.

Also für den Wahlkampf ungeeignet.

Wir sind nicht schwarz, wir sind nicht weiß, wir sind grün. Man kann nicht sagen: Bist du für Krieg oder gegen Krieg?

Aber diese Frage stellt sich doch.

Dann wird man darauf nicht mit Ja oder Nein antworten können. Ich glaube nicht daran, dass man dieses internationale Netzwerk ohne Gewalt zerschlagen kann. Wir dürfen aber nicht nur über die Militärlogik reden, die nur ein kleiner Ausschnitt ist.

INTERVIEW: A. SPANNBAUER,

A. WOLTERSDORF