schwerpunkt griechenland (5)
: Kostas Kondodimos und das Sorbas-Remake

Wahre Helden unserer Zeit

Nikos Kazantzakis kennt jeder, zumindest von der Verfilmung seines „Alexis Sorbas“ mit Anthony Quinn in der Hauptrolle. Quinn ist mit seinem unsterblichen Tsifteteli als Prototyp des Griechen überhaupt ins kollektive Unbewusste der Völker eingegangen. Dieser Sorbas, der unglaubliche Dinge sagt und verrückte Dinge tut, der Eingeborene, der Edle Wilde, ist Kult.

Das ist so der Stand der Dinge bis heute: Jeden Tag reisen wild gewordene Philhellenen aus aller Herren Länder nach Griechenland ein, die den Griechen Nachhilfeunterricht darin erteilen wollen, wie ein richtiger Grieche auszusehen hat. Und auch literarisch wartet die Welt auf einen neuen „Sorbas“. Aber es wird ihn nie wieder geben, weil es ihn – außer auf der Leinwand – nie gegeben hat.

Dieser stetige Re-Import von Eulen nach Athen hat die Griechen harzig gemacht. Und jetzt übt einer von ihnen Rache. Kostas Kondodimos schenkt uns statt der geistigen Wiedergeburt einen „Sorbas-Remake“. Er erweist Kazantzakis die Ehre und schickt Sorbas in Rente. Dieser „malerische Neohellene“ gehört für Kondodimos in eine Reihe mit Batman und Tarzan. Also verschont uns mit Sorbas, dem Griechen aller Tage.

Im „Sorbas-Remake“ hat das Luxusgeschöpf Felicia Escalante eine grandiose Idee. Sie will den Film „Alexis Sorbas“ von Cacoyannis in einem Remake wieder aufleben lassen. Dazu macht sie sich in Griechenland auf die Suche nach einem neuen, zeitgenössischen Sorbas. Aber sie findet lauter Antitypen ohne Charisma und kapiert nicht, dass ihr Angestellter Alekos, dieser Süßholzraspler und „pathologische Aufreißer“, dieser Schmalspurgrieche bei aller Oberflächlichkeit zu ernstesten Regungen und tiefem Gefühl fähig ist. Alekos ist der wahre Held unserer Zeit.

Sein Tag beginnt mit Bier zum Frühstück und dazu die Zahlen der Verkehrstoten am Wochenende, die nirgendwo sonst in Europa so hoch sind wie hier. Sein Griechenland ist ein modernes Land: Smog statt Äther, Terroristen statt Philosophen. Wenn es in Griechenland an allen Ecken nach Basilikum duftet, dann ist das nur der synthetische Geruch seiner Multivitamintabletten. Athen ist eine Stadt wie jede andere, vielleicht nur etwas schmutziger. Gegen das berühmte griechische Licht schützt er sich mit einer Sonnenbrille und in den Schäferstündchen mit Kondomen.

Kostas Kondodimos, der Autor des Buches, starb 1996 aus ungeklärten Ursachen viel zu früh im Alter von 36 Jahren.

MANUEL GOGOS

„Sorbas-Remake“. Aus dem Griechischen von Doris Wille. Romiosini 2001