„Dann kommen wir lieber gar nicht mehr“

Die PDS protestiert: Sie wird von „sicherheitsrelevanten Informationen“ ausgeschlossen. Den Grünen müsste diese Behandlung bekannt vorkommen

BERLIN taz ■ Da staunte Roland Claus nicht schlecht. Am Dienstagmorgen hatte der PDS-Fraktionschef im Bundestag, wie jeden Tag und wie jeder Fraktionschef, den vertraulichen Lagebericht über den Stand des Kriegsgeschehens aus dem Bundeskanzleramt erhalten. Dabei hatte der Kanzler gerade mal einen Tag zuvor wissen lassen, dass er nicht mehr gewillt ist, die PDS genauso zu behandeln wie jede andere Partei auch. Sie sei ab sofort, so Schröder im SPD-Präsidium, von allen sicherheitsrelevanten Informationen ausgeschlossen.

Nun kann der bislang nicht unterbrochene Informationsfluss aus dem Kanzleramt damit zu erklären sein, dass die vertraulichen Lageberichte, entgegen ihrer Bezeichnung, gar nicht so schrecklich viel Vertrauliches enthalten. Aber Roland Claus, der PDS-Fraktionschef, wollte sich über den Grund dafür gar nicht den Kopf zerbrechen. Er bezeichnete den angekündigten Ausschluss der PDS gegenüber der taz als „nicht hinnehmbar“. Bisher sei der PDS nicht vorgeworfen worden, dass sie die vertraulichen Informationen, die der Kanzler in regelmäßigen Runden den Fraktions- und Parteichefs zukommen lässt, nicht auch vertraulich behandelt hätte. „Im Gegenteil“, so Claus, „die anderen sind nach diesen Gesprächen regelmäßig vor die Fernsehkameras gerannt.“ So bleibe nur die Schlussfolgerung, dass die Regierung eine abweichende Haltung in der Frage von Militäreinsätzen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht ertragen könne.

Die Fraktion werde jetzt natürlich nicht ihre Juristen beauftragen, die Rechtslage zu prüfen, so Claus. Ihm ist klar, dass die Regierung nicht in der Pflicht ist, alle Parteien und Fraktionen mit sicherheitsrelevanten Informationen zu versorgen. Dass sie es bis jetzt dennoch getan hat, auch gegenüber der PDS, erklärt sich Claus damit, dass beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Verfahren anhängig ist, in dem die PDS prüfen lässt, ob die Bundesregierung bei der Zustimmung zum neuen Nato-Konzept nicht die Rechte des Bundestages verletzt hat.

Aber bei aller moderaten Reaktion: Die PDS will sich nicht als Fraktion zweiter Klasse behandeln lassen. Sie würde es nicht hinnehmen, zu allgemeinen Informationsrunden beim Kanzler eingeladen, bei sicherheitsrelevanten Gesprächen jedoch ausgeladen zu werden. „Dann würden wir lieber gar nicht kommen“, sagte Claus der taz.

Über die neue Informationspolitik des Kanzlers war auf der SPD-Präsidiumssitzung am Montag nicht diskutiert worden. In seiner sachlichen und nüchternen Art habe Gerhard Schröder den Punkt vorgetragen – im Rahmen einer allgemeinen Lagebeurteilung, hieß es gestern. Anschließend war Franz Münterfering, wie jeden Montag, vor die Presse getreten, hatte die Entscheidung begründet und dabei sinngemäß die Worte des Kanzlers wiederholt. Man habe Zweifel, so Müntefering, ob die PDS weitergegebene Informationen vertrauenswürdig behandele.

Das Führungpersonal der Grünen fand gestern keine Worte, um den Vorgang zu kommentieren. Von der Partei- und Fraktionsspitze wurden in zwei Fällen „Termingründe“ genannt. Lediglich der Parteilinke Christian Ströbele nannte die Entscheidung des Kanzlers „nicht gerechtfertigt“. Die PDS als legitimierter Teil des Parlaments habe einen Informationsanspruch, andernfalls ermögliche man ihr „nur wieder die Opferrolle“. Die Grünen selbst waren fast 11 Jahre im parlamentarischen Betrieb als Risikofaktor eingestuft worden, was sensible Informationen betraf. Erst seit 1994 durften die Grünen in zwei geheim tagende Gremien des Bundestages Repräsentanten entsenden: in die mit der Kontrolle der Geheimdienste beauftragte Parlamentarische Kontrollkommission und in die mit Eingriffen in das Post- und Fernmeldegeheimnis befasste G-10-Kommission. Dies war nur möglich, weil der damalige CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble einen Kurswechsel einschlug. Der Grund: Die Union hatte die Grüne Antje Vollmer zur Vizepräsidentin des Bundestages mitgewählt. Bis dahin galt für die Union, was die Nachrichtenagentur DPA am 20. 11. 1994 über Schäuble schrieb: „Die Grünen böten keine hinreichende Gewähr, dass die geheimen Informationen auch wirklich geheim bleiben würden.“

JENS KÖNIG/SEVERIN WEILAND