Neue Krebsmittel

Medizin-Nobelpreis für drei Zellzyklusforscher. Sie endeckten die Kontrollmechnismen der Zellteilung

Für ihre „bahnbrechende Entdeckungen“ über die Steuerung des Zellzyklus haben der US-Amerikaner Leland H. Hartwell (61) und die Briten Timothy Hunt (58) sowie Paul M. Nurse (52) den Nobelpreis für Medizin erhalten. Das Stockholmer Preiskomitee erklärte in der Begründung der Preisverleihung, dass die Forscher wichtige Grundlagen zur Krebstherapie gelegt hätten.

Den drei Wissenschaftlern war es gelungen, die Schlüsselmoleküle zu identifizieren, die den Zyklus der Zellteilung und damit Wachstum und Vermehrung von Zellen kontrollieren. Zudem konnten sie nachweisen, dass die Kontrollmechanismen bei allen höheren Organismen, Hefepilzen, Pflanzen, Tieren sowie Menschen vorhanden sind und auf gleicher Weise funktionieren. Sie müssen sich folglich während der Evolution kaum verändert haben.

Der Körper eines Erwachsenen besteht aus etwa 100.000 Milliarden Zellen. Jeden Tag sterben Milliarden von Zellen ab und werden durch neue ersetzt. Für Nachschub sorgen die Zellen selbst, die sich ununterbrochen teilen. Gesteuert wird das Ganze im Zellzyklus. Bereits Anfang der 70er-Jahre entdeckte Hartwell, Direktor des Fred Hutchinson Krebsforschungszentrums in Seattle, die den Zellzyklus kontrollierenden Gene. Diese Gene werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten aktiv, um die verschiedenen Phasen der Zellteilung einzuleiten. Eines davon ist das Startgen, das eine wichtige Funktion zu Beginn des Zellzyklus hat.

Der Biologe Nurse, Direktor des Imperial Cancer Research Fund in London, verfolgte den genetischen Ansatz weiter und entdeckte ein Gen, dem die Schlüsselkomponente zur Kontrolle des Zellzyklus entspricht. Diese Schlüsselkomponente, die Cyclin-abhängige Kinase (CDK), aktiviert andere für den Zellzyklus wichtige Eiweiße. Wie CDK selbst geregelt wird, hat Timothy Hunt, ebenfalls am Imperial Cancer Research Fund beschäftigt, dann in den 80er-Jahren entdeckt: CDK wird gesteuert durch eine Gruppe spezieller Proteine. Diese Cycline werden bei der Zellteilung abgebaut. Der Mechanismus ist zentral für die Kontrolle des Zellzyklus. Nur wenn Cykline und CDKs perfekt zusammenspielen, nimmt die Zelle die Hürde von einem Teilungsstadium ins nächste.

Zusammengefügt ergeben die Erkenntnisse der drei Wissenschaftler ein genaues Bild von den Kontrollmechanismen des Zellzyklus. Forscher hoffen, damit erklären zu können, warum einige Zellen plötzlich zu unkontrolliert wuchernden Krebszellen werden. Und dies könnte einmal den Weg zeigen, wie sich dieses unerwünschte Wachstum aufhalten ließe. Mittlerweile ist bekannt, dass veränderte Schlüsselkomponenten des Zellzyklus eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krebs spielen: Die Zellteilung gerät außer Kontrolle. Beispielsweise sind bei Brustkrebs oder Hirntumoren verschiedene Moleküle vermehrt vorhanden. Inzwischen gibt es auch erste Versuche, die Schlüsselmoleküle bei Krebspatienten gezielt zu blockieren. So sollen neue Krebsmittel die Cyclin-abhängige Zellteilung hemmen.

CLAUDIA BORCHARD-TUCH