Freie Marktwirtschaft – ein unfaires Spiel

Mit dem Ökonomen Joseph E. Stiglitz erhält ein Kritiker des unregulierten Marktes den Nobelpreis für Wirtschaft

BREMEN taz ■ Die Vergabe des seit 1969 durch die Schwedische Reichsbank zusätzlich gestifteten Nobelpreises für Ökonomie ist immer wieder gut für Überraschungen. Zugesprochen wurde er nun Joseph E. Stiglitz (58). Eine mutige Entscheidung: Geehrt wird ein Wirtschaftswissenschaftler, der gegen die vorherrschende akademische Marktorthodoxie immer wieder die Ursachen und Wirkungen eines Versagens des gelobten Marktes untersucht hat.

Mit seiner Forschungsarbeit beschränkte Stiglitz sich jedoch nicht auf den akademischen Elfenbeinturm. Seine Botschaften hat er in einer unüberschaubaren Zahl von populären Zeitungskommentaren und Vorträgen verbreitet. Noch vor wenigen Tagen hat er in einer deutschen Wirtschaftszeitung die schon bei Clinton begonnene und durch Bush propagierte Deregulierung der Märkte scharf gegeißelt.

Der Überzahl der neoliberalen Marktfundamentalisten gilt Stiglitz als rotes Tuch. Aber auch renommierte politische Ämter nutzte er, um Einfluss auf die Politikpraxis zu nehmen. Er war oberster Wirtschaftsberater unter Clinton. Als Senior-Weltbankchef und zuletzt Chefvolkswirt hat er heftige Kontroversen mit dem Internationalen Währungsfonds und seiner Politik ausgefochten.

Immer wieder forderte er, gegen den so genannten Washington Consensus nicht auf die Deruglierung und globale Integration zu setzen, sondern auf den Aufbau eines fairen Welthandels und einer stark regulierten internationalen Finanzarchitektur.

Eigentlich hätte Joe Stiglitz den Nobelpreis für Ökonomie allein verdient. Nun teilt er sich die zehn Millionen Schwedische Kronen Preisgeld (rund zwei Millionen Mark) mit George A. Akerlof und Michael Spence. Auch Ackerlof ist in Deutschland kein Unbekannter. So hatte er 1991 mit weiteren Autoren in einem Arbeitspapier die ökonomische Transformation Ostdeutschlands untersucht und Lohnsubventionen gefordert.

Dem Nobelpreiskomitee fiel es nicht schwer, eine Rechtfertigung für dieses Triumvirat zu liefern. Wer die Forschung über die Relevanz von Informationen und deren ungleiche Verteilung für Marktprozesse ehren will, der muss auf diese drei Ökonomen stoßen.

In der Laudatio heißt es zu Recht, sie hätten „die Wirkungen asymmetrisch verteilter Informationen auf Märkten“ untersucht. Soll heißen: In der orthodoxen Marktlehre wird angenommen, dass Anbieter wie Nachfrager gleichermaßen nahezu vollkommen informiert sind. Derartige Modelle der vollkommenen Konkurrenz produzieren eher Ideologie als eine taugliche Erklärung realer ökonomischer Prozesse. Die Erfahrung lehrt dagegen: Jeder hat schon mal Informationsvorteile ökonomisch genutzt, aber war auch mangels unzureichender Information unterlegen.

Informationen sind je nach ökonomischer Macht unterschiedlich verteilt. So weiß doch beispielsweise jeder Bankkunde, dass sich seine Machtlosigkeit auf unzureichender Information über ein Kreditgeschäft gegenüber den Bankern gründet. Sicherlich, der Kreditnehmer hat auch Informationsvorteile. Er kennt seine Bonität besser. Aber gegen derartige Risiken wappnen sich die Banken. Es kommt kein faires Ergebnis unter Gleichen zustande.

Eine systematisch ungleiche Informationsverteilung prägt auch das Verhältnis zwischen Vorständen und Aufsichtsräten von Kapitalgesellschaften einerseits und Aktionären andererseits.

So trachten Konzernvorstände danach, Informationsvorsprünge zu monopolisieren. Fehlentwicklungen, ja Pleiten können die Folge sein.

RUDOLF HICKEL