Literaturnobelpreis geht an V. S. Naipaul

Stockholmer Komitee ehrt „unbestechliches Beobachten“. Reich-Ranicki: „Keine Überraschung, sondern Enttäuschung“

BERLIN taz ■ Er war „höchst erfreut“, als gestern um 13 Uhr sein Name in Stockholm bekannt gegeben wurde: V. S. Naipaul ist mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet worden. Der aus Trinidad stammende, in England lebende Autor erhält die Ehre zum 100-jährigen Jubiläum des Preises, den die schwedische Akademie vergibt. Naipaul wurde von dem Gremium „für seine Werke, die hellhöriges Erzählen und unbestechliches Beobachten vereinen und uns zwingen, die Gegenwart verdrängter Geschichte zu sehen“, ausgewählt.

Dass der 69-jährige Schriftsteller sich mit seinen Büchern, die oft von Reisen nach Afrika oder Indien handeln, nicht nur Freunde gemacht hat, merkt man an den Reaktionen auf die Preisvergabe. Laut Marcel Reich-Ranicki ist die Entscheidung „keine Überraschung, sondern eine Enttäuschung“. Andere Kritiker bemängelten die Kälte, mit der Naipaul über Verlierer in den Kolonialländern schreibe.

Bekannt wurde Naipaul 1961 mit dem Roman „Ein Haus für Mr. Biswas“. „An der Biegung des großen Flusses“ brachte ihm 1980 auch den literarischen Erfolg in Deutschland. 1992 plädierte Naipaul in einem in der taz abgedruckten Text für eine „universelle Zivilisation“, die in der Lage sei, „dem Rest der Welt und allen Strömungen des Denkens einen Platz in der Zivilisation zu gewähren“. hf

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