Der Robin Hood schweigt

Mit gehörigem Aufwand suchen LKA-Beamte in einer Wohnung nach vermuteter Cäsiumquelle. Mutmaßlicher Dieb wollte „nur Sicherheitslücken aufzeigen“

LANDAU taz ■ Das gab es noch nie in der deutschen Kriminalgeschichte: Beamte in weißen Schutzanzügen und mit Gasmasken, die sich durch eine Luftschleuse zum Tatort vorarbeiten. So geschehen gestern in Landau, wo das LKA Rheinland-Pfalz „Beweismittel“ in einer mit mehreren Millionen Becquerel radioaktiv verseuchte Wohnung sicherstellen soll. Die Staatsanwaltschaft überwacht die Aktion aus sicherer Distanz: im Strahlenschutzfahrzeug am Bildschirm.

Plumper Diebstahl ist der Grund für den außergewöhnlichen Einsatz. Im Dezember des vergangenen Jahres hatte der Leiharbeiter Joao „Johannes“ Martins (47) eine plutoniumhaltige Flüssigkeit aus der Wiederaufbereitungsanlage im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe (WAK) geklaut. Der Portugiese lagerte das Teufelszeug in seiner Wohnung in Eschbach, zumindest so lange, bis ihm die Sache im Sommer zu heiß wurde. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft vertraute Martins das Röhrchen seiner Freundin in Landau an, mit der Bitte um „Entsorgung“. Was die Geliebte gern besorgte: in einem Gebüsch auf dem Gelände einer ehemaligen Siedlung französischer Soldaten.

Die Polizei stellte später das zerbrochene Röhrchen und einen verseuchten Wischlappen sicher. Nicht nur das: Dieb, Freundin, deren Tochter und die Landauer Wohnung war radioaktiv verstrahlt. Weil bei Mutter und Tochter auch noch Spuren von Cäsium gefunden wurden, wird die Wohnung in der Raimund-Huber-Straße 10 jetzt systematisch nach einer zweiten Strahlenquelle durchsucht. In der plutoniumhaltigen Flüssigkeit nämlich war kein Cäsium enthalten; und die Delinquenten verweigern in diesem Punkt die Aussage. Der in U-Haft sitzende Portugiese sieht sich nach wie vor als moderner Robin Hood: Mit seiner Tat, so Martins, wollte er auf die Sicherheitsmängel in der WAK aufmerksam machen.

Noch bis zum Wochenende werden die Beamten durch die Sicherheitsschleuse klettern, um Beweise aufzunehmen. „Danach soll die Wohnung dekontaminiert werden“, erklärte Henning Miehe, Sprecher der federführenden Genehmigungsdirektion Süd in Neustadt an der Weinstraße. Die Wohnung werde dann mit Flüssigkeit besprüht, um schwebende radioaktive Teilchen binden zu können, die Einrichtung in Plastiksäcke verpackt, diese dann in Fässer gesteckt – „für die Endlagerung“, wie Miehe sagt. Die verwunderten Nachbarn jedenfalls sind froh, dass es endlich „losgeht“ mit der Untersuchung und der Dekontaminierung. Ausgezogen jedenfalls ist noch keiner.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT