Anthrax-Brief an US-Politiker

FBI sieht mögliche Verbindung zwischen Milzbrandfällen und Terrorangriffen. Frau von Zeitungschef vermietete Wohnung an Luftpiraten. US-Gesundheitsminister: Milzbrand ist Bioterrorismus

NEW YORK/WASHINGTON afp/taz ■ Die Serie von Briefen mit Milzbranderregern (Anthrax) hat gestern erstmals einen hochrangigen US-Politiker erreicht. US-Präsident Bush teilte mit, dass in einen Brief an den Mehrheitsführer im US-Senat, Thomas Daschle, Milzbranderreger gefunden worden seien. Insgesamt sind damit bereits 13 Fälle von Briefen mit Milzbranderregern registriert worden.

Das FBI sieht eine erste vage Verbindung zwischen den mutmaßlichen Terroristen vom 11. September und den Milzbrandfällen in Florida. Die Ehefrau des Herausgebers der Boulevardzeitung Sun, deren Fotoredakteur vor zehn Tagen an Milzbrand gestorben war, habe eine Wohnung an zwei der mutmaßlichen Flugzeugentführer vermietet, meldete der Miami Herald.

Die US-Behörden gehen inzwischen von einem terroristischen Hintergrund der bisher zwölf Milzbrandfälle in den Vereinigten Staaten aus. Es bestehe „kein Zweifel, dass es sich um Bioterrorismus handelt“, sagte Gesundheitsminister Tommy Thompson am Sonntagabend im Sender CNN. Eine Verbindung zur Terrororganisation al-Qaida des Muslimextremisten Ussama Bin Laden ist zwar nicht bewiesen, sie sei aber nicht auszuschließen.

Die als Immobilienmaklerin tätige Frau von Sun-Herausgeber Michael Irish habe den beiden mutmaßlichen Luftpiraten Marwan al-Shehhi und Said al-Ghamdi eine Wohnung in Delray Beach vermittelt, meldete der Miami Herald. Beide saßen an Bord von Flugzeugen, die in New Yorker World Trade Center bzw. in Pennsylvania abstürzten. „Jetzt gibt es eine Verbindung zwischen der Frau des Herausgebers und den Terroristen“, sagte FBI-Sprecherin Judy Orihuela. Noch sei aber nicht klar, ob es sich um einen bloßen Zufall handele oder nicht.

Ein 63-jähriger Fotoredakteur der Sun war am 5. Oktober an Lungen-Milzbrand gestorben. Bei zwei weiteren Mitarbeitern des Sun-Mutterhauses American Media Incorporated (AMI) in Boca Raton wurde der Erreger nachgewiesen. Bei fünf Angestellten gab es erste positive Testergebnisse, die noch überprüft werden. Aus New York wurden bisher vier Milzbrandfälle gemeldet: Eine Mitarbeiterin des Senders NBC ist nach dem Öffnen eines Briefes mit einem weißen Pulver an Haut-Milzbrand erkrankt; bei zwei Laborangestellten und einem Polizisten wurden nach Kontakt mit dem Pulver Milzbrandsporen im Gesicht entdeckt.

Derzeit werden hunderte von Mitarbeitern von NBC und AMI untersucht und vorsorglich mit Antibiotika behandelt. Nachdem bei einer Microsoft-Niederlassung in Reno im Bundesstaat Nevada ein Brief mit Milzbranderregern einging, wurde zunächst kein Angestellter positiv auf Lungen-Milzbrand getetest. Die Untersuchung auf Haut-Milzbrand stand jedoch noch aus. Justizminister John Ashcroft betonte, zwei der vier Anschläge mit Milzbrand-Briefen hätten sich gegen Medienunternehmen als Symbole der Freiheit gerichtet.