Jetzt auch in Bremen: Klappe zu - Baby lebt

■ Heute entscheidet die Gesundheitsdeputation über den Antrag des St-Joseph-Stifts, eine Babyklappe einzurichten. Die Zustimmung ist sicher. Der Sinn der Klappe umstritten.

Von der Schwachhauser Heerstraße wird sie nicht zu sehen sein, die Babyklappe in einem Nebengebäude des Krankenhauses „St-Joseph-Stift“. Wenn eine Frau hier ihr Neugeborenes anonym abgeben will, wird sie vor einer gläsernen Tür stehen, darin eine Klappe, wie ein „großer Briefkasten“, sagt Thorsten Jarchow, Geschäftsführer des katholischen Stifts. In der Klappe: ein Stempelkissen. So können die Mütter einen Fußabdruck des Kindes mitnehmen – zur späteren Identifizierung, falls sie es sich in den nächsten acht Wochen doch anders überlegen sollten.

„Wenn die Klappe schließt, geht ein Alarmsignal an zwei Stellen im Krankenhaus los“, sagt Jarchow. Die Klappe lässt sich dann nicht mehr öffnen. Ein paar Minuten später wird jemand kommen und das Kind aus dem Wärmebett nehmen. Die Frau muss sich medizinische und psychosoziale Hilfe an anderer Stelle holen.

Bereits in vier Wochen könnte es diese Babyklappe in Bremen geben – wenn die Gesundheitsdeputation zustimmt. Damit würde Bremen auch die Kosten in Höhe von 54.000 Mark für Umbau und die technische Einrichtung übernehmen. Die Zustimmung scheint nur noch Formsache, auch wenn nur wenige die Klappe für eine sinnvolle Einrichtung halten. Hauptkritikpunkt: Frauen in Not, die alleine und auf der Straße ihr Baby bekommen, „planen nicht plötzlich systematisch und suchen eine Babyklappe“, sagt Hanna Staud-Hupke von Pro Familia. Und: „Sowohl für die Mutter als auch das Kind wird es zeitlebens eine Belastung sein, den Trennungsschritt nicht bewusst erlebt zu haben.“

Dennoch hatte sich Gesundheitssenatorin Hilde Adolf (SPD) „schweren Herzens“ dazu entschlossen, den Antrag des Koalitionspartners CDU zu unterstützen. „Wenn doch mal ein toter Säugling in Bremen gefunden würde, wäre sie schuld“, begründet Adolfs Sprecher diese Entscheidung. Das Schreckgespenst vom toten Baby im Mülleimer ist „ein Totschlagsargument“, sagt Doris Hoch von den Grünen. Auch sie ist nicht „ganz glücklich“, wird aber dennoch zustimmen. Hoch: „Um das Kind wird sich gekümmert, die Frau bleibt alleine.“

Selbst die Brigitte Dreyer, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU, hält die Klappe nur für ein „Mosaiksteinchen“ in einer Reihe von Hilfsangeboten für verzweifelte Schwangere. „Das Beratungs- und Hilfsnetz in Bremen ist ausgesprochen dicht“, sagt Dreyer. Dieses Netz hat offenbar schon viele verzweifelte Frauen aufgefangen – ausgesetzte Babys machen hier keine Schlagzeilen. „Bislang gibt es in Bremen keine Statistik über ausgesetzte Säuglinge“, bestätigt Jarchow vom St.Joseph-Stift.

Auf Bundesebene gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, ob durch die Klappen weniger Säuglinge sterben – oder ob die Klappen eher dazu anregen, ein Kind auszusetzen. Sicher ist, dass auch in Hamburg, wo vergangenes Jahr die erste Klappe eingerichtet wurde, wieder ein totes Baby gefunden wurde. Dennoch gibt es seit letztem Jahr fast in jedem Bundesland eine oder sogar mehrere Babyfenster, -klappen oder -nester.

Gudrun Steenken von der evangelischen Schwangerschaftsberatung: „Das ist zurzeit ein Boom“, begleitet von einer emotionalisierten Debatte. Sie vermutet, dass Babyklappen ein öffentlichkeitswirksames Mittel sind, sich als Lebensschützer zu profilieren. Für ihre Arbeit wünscht sie sich vielmehr einen Schutzraum, in der mit der Mutter gemeinsam nach Lösungen gesucht werden kann. Ohne jeden Schritt den Behörden melden zu müssen.

Das könnte zum Beispiel eine Änderung des Personenstandsgesetzes ermöglichen: Mit einer längeren Meldefrist für Neugeborene könnte – wie in Frankreich – eine Frau anonym gebären. So müsste sie sich nicht sofort für oder gegen das Kind entscheiden. Für diese Gesetzesänderung auf Bundesebene setzt sich auch Senatorin Adolf ein.

„In Bremen wird Schwangeren bereits ohne gesetzliche Grundlage geholfen“, sagt dagegen Walter Eggers, Geschäftsführer des Diako-Krankenhauses in Gröpelingen. Denn: „Medizinische Versorgung muss für alle Frauen offen sein.“ Das Diako habe sich deshalb gegen eine Klappe entschieden, wolle aber eng mit dem St-Joseph-Stift zusammenarbeiten. ei