Mit Nazi-Hools auf Reisen

Rechte Hertha-Hooligans randalierten wieder. Dieses Mal im Regionalexpress nach Hamburg gegen Migranten, Frauen und „Zecken“. BGS griff während der Fahrt nicht ein

„Wenn die Situation eskalieren würde, erfolgen Maßnahmen erst im Endbahnhof.“

Statt mit dem Regionalexpress gemütlich ins „schöne Wochenende“ fuhr Hartmut F. (Name von der Redaktion geändert) am Samstag „geradewegs in eine Horror-Odyssee über mangelnde Zivilcourage gegen rechts.“ Der 25-Jährige hatte sich ausgerechnet den frühmorgendlichen Regionalexpress ausgesucht, mit dem auch eine Gruppe von rund 250 Fans von Hertha BSC zum Bundesligaspiel gegen den FC Sankt Pauli über Bad Kleinen nach Hamburg unterwegs war.

Schon das Äußere der Fans sei wenig Vertrauen erweckend gewesen, erinnert sich F.: „Die Mehrzahl trug schwarze Bomberjacken, weiße T-Shirts mit der Aufschrift ‚White Power‘ und ‚Aryan Resistance‘ und teilweise Aufnäher mit Sprüchen wie ‚Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein‘.“ Entsprechend seien auch ihre Slogans während der zweistündigen Fahrt gewesen. Neben „Sieg Heil“ und „hier marschiert der nationale Widerstand“ seien mehrfach Morddrohungen gegen „Zigeuner, Schwule und Juden“ ausgestoßen worden.

Drohungen, denen auch Taten folgten. Hartmut F. berichtet, an mehreren Bahnhöfen hätten Nazi-Skins Reisenden mit nichtdeutschem Aussehen der Zutritt zum Zug verwehrt. Versuche von Fahrgästen, sich gegen die grölenden Hooligan durchzusetzen, scheiterten. „Frauen wurden sexuell belästigt“, sagt der Betriebswissenschaftsstudent, dem Skins Schläge androhten.

Am schlimmsten sei jedoch gewesen, dass weder das Bahnpersonal noch zwei uniformierte Bundesgrenzschützer einschritten, sagt Hartmut F. Die BGS-Beamten hätten an den Türen des Waggons gestanden, „die Situation beobachtet, hilflos gelächelt und nicht eingegriffen.“

Beim Grenzschutzpräsidium Ost, dessen Beamte die Hooligans bis zur „Übergabe“ an die Kollegen vom BGS-Präsidium Nord begleiteten, heißt es, der Zug sei aufgrund der aktuellen Sicherheitslage „von einer geringen Menge“ uniformierter und ziviler Beamter begleitet worden. Es könne sein, dass die Grenzschützer nicht unmittelbar eingegriffen hätten, sagt BGS-Sprecherin Sandra Pfeifer: „Wenn die Situation im Zug sonst eskalieren würde, erfolgen Maßnahmen erst im Endbahnhof.“ So offenbar auch in diesem Fall: Zehn Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung lautet die Bilanz. Wenig tröstlich sei das, findet Hartmut F. „Was nützt es den potenziellen Opfern und Reisenden, wenn der BGS zuguckt und erst einschreitet, wenn alles vorbei ist?“

Alltag bei der Bahn AG? „Von Seiten des Zugpersonals gab es keine Meldung über diese Vorfälle“, sagt Bahnsprecher Andreas Fuhrmann. Verhaltensvorschriften für derartige Situationen gibt es durchaus: „Wenn das Personal etwas bemerkt, sollen sofort BGS oder Polizei verständigt werden“, so Fuhrmann.

Wenig überrascht über das Erlebnis von Hartmut F. sind Rechtsextremismus-Experten. Sie verweisen auf den Überfall von etwa 150 Nazi-Skins und Hooligans auf ein besetztes Haus in Potsdam nach einem Pokalspiel zwischen Hertha BSC und SV Babelsberg Ende August. „Seit längerem sind auch Versuche der NPD offensichtlich, Einfluss in der gewaltbereiten Hooligan-Szene zu gewinnen“, sagt Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv. HEIKE KLEFFNER