Atomlager müssten über 100 Jahre halten

Neues Sicherheitsproblem für AKW-Betreiber: Plutonium-Brennelemente in Zwischenlagern strahlen anfangs stärker

PARIS/GUNDREMMINGEN taz ■ Bei der Diskussion um die Sicherheit von Atomanlagen in Deutschland ist ein wichtiger Aspekt bezüglich der Atomzwischenlager nicht berücksichtigt worden. Bislang war immer von einer Betriebsdauer der Zwischenlager von 40 Jahren die Rede. Dann soll der Atommüll in ein bis dahin zu schaffendes Endlager verbracht werden. „Wir dürfen dabei jedoch die MOX-Brennelemente nicht vergessen, die einer weitaus längeren Abklingzeit bedürfen“, warnt der Reaktorexperte Richard Donderer vom Physikerbüro Bremen.

Donderer ist Mitglied der Reaktorsicherheits-Kommission des Bundesumweltministeriums. MOX ist die Abkürzung für Mischoxid aus Uran und Plutonium. Früher wurden in deutschen AKW nur reine Uranoxid-Brennstäbe verwendet. Die neueren MOX-Brennelemente hätten nach 50 Jahren noch immer eine dreifach höhere Zerfallsleistung als vergleichbare Uranbrennstäbe, so Donderer.

Was das bedeutet, macht der internationale Atomberater und Träger des alternativen Nobelpreises, Mycle Schneider, deutlich. „Wenn man bei Uranbrennstäben 40 Jahre rechnet, bis sie ins Endlager gebracht werden können, muss man bei gleichem Endlagerkonzept bei MOX-Brennelementen wegen der höheren Nachzerfallswärme hundertvierzig Jahre rechnen.“ Damit seien die Befürchtungen der Zwischenlagergegner berechtigt, dass die Atomlagerhallen weit über die 40 Jahre hinaus betrieben werden dürften, so der Leiter des Energieinstituts WISE-Paris (www.antenna.nl/wise) weiter.

Aus dieser Erkenntnis wiederum schließt der Bremer Physiker Donderer, dass die geplanten Atom-Zwischenlager an zwölf deutschen AKW-Standorten deutlich besser geschützt werden müssen als bislang geplant. Vor diesem Hintergrund kommt der aktuellen Diskussion um unterschiedliche Wandstärken bei süd- und norddeutschen Zwischenlagern eine besondere Bedeutung zu. Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, fordert bekanntlich mit Nachdruck das so genannte Mehrbarrierensystem: Anders als in den Planunterlagen von RWE und Eon müssten nicht nur die in den Zwischenlagern abgestellten Castoren einen Flugzeugabsturz sicher überstehen, sondern auch die Hallen selbst entsprechenden Schutz bieten (siehe auch www.atommuell-zwischenlager.de).

Experten wie der Physiker Richard Donderer halten angesichts der aktuellen Diskussion um die Sicherheit kerntechnischer Anlagen jedoch den Mehrfachschutz für unumgänglich. „Wir können hier wenigstens noch reagieren und die Zwischenlagerhallen sicherer machen, das geht bei den Atomkraftwerken nicht mehr.“

KLAUS WITTMANN