All die Männer, die Liz Taylor ruiniert haben

Die absolut manische Sammelwut der Diva: „Forever Young. Marlene Dietrich zum 100. Geburtstag“, eine Ausstellung im Filmmuseum Berlin

Marlene, der Mythos. Der einzige deutsche Weltstar, eine Legende zu Lebzeiten, eine zu Tode fotografierte Frau, ein Männer wie Frauen mordender Vamp, mutige Antifaschistin und perfekte Hausfrau, eine Pedantin und Preußin. Die Liste der Klischees und Wahrheiten über Marlene Dietrich ließe sich endlos fortsetzen.

Marlene ist aber auch ein ziemliches Geschäft. Der Rummel zu ihrem 100. Geburtstag hat schon lange begonnen und wird im Dezember erst seinen Höhepunkt erreichen. Über ein Dutzend neuer Bücher erscheinen zu diesem Termin, an so manchem hat auch das Filmmuseum Berlin mitgewirkt. Und so wirkt die Pressekonferenz, die doch hauptsächlich zu Vorstellung einer neuen Marlene-Dietrich-Hommage „Forever Young“ gedacht war, wie eine merkwürdige Verkaufspräsentation. Zum Beispiel wird eine CD-ROM rund um den „Blauen Engel“ beworben mit gleich zwei digital restaurierten Versionen des berühmtesten Dietrich-Films. Denn, was fast vergessen war: Sternberg hatte parallel eine deutsche und eine englische Version gedreht. Marlenes Enkel Peter Riva präsentiert einen luxuriösen Bildband. Sein Berliner Verlag hat daraus gleich auch noch eine limitierte Sammlerbox gemacht, für den der Band mit Marlenes Original-Autogrammstempel signiert wurde. Beigelegt sind diverse CDs, CD-ROMs und die Box wird mit dem Reprint eines „Marlene-Dollbooks“ aus ihrem Nachlass bereichert. Das Überraschungspaket wird als exklusives Geschenk dann wohl unter so manchem Christbaum liegen. Und was hätten die Gäste wohl Marlene zu ihrem 100. Geburtstag geschenkt, sofern sie ihn noch hätte erleben können?

Diese etwas konstruierte Frage haben sich die Macher der Sonderaustellung „Forever Young“ gestellt und zum leicht gekräuselten roten Faden gemacht. Rund vierzig Freunde, Liebhaber, Bekannte, Kollegen und berühmte Verehrer wurden auf eine imaginäre Gästeliste gesetzt – sie reicht von Willy Brandt über David Bowie bis Ronald Reagan und Karl Lagerfeld. Die Geschenke allerdings hatte sie bereits, denn schließlich entstammen sie ihrem Nachlass: Vittorio de Sica überlässt ihr den Schmuck aus dem Film „The Monte Carlo Story“, Udo Lindenberg ein persönlich gewidmetes Exemplar seiner LP „Phönix“. Douglas Fairbanks jr. bringt eine krachlederne Trachtenhose mit, die er bei einem gemeinsamen Urlaub in St. Ilgen 1937 getragen hat. Sogar die große Abendgarderobe für den festlichen Anlass, den es gar nicht gibt, hat das Filmmuseum für Marlene bereitgelegt: einen kessen Hot-Pants-Zirkusdirektorinnen-Anzug, mit dem sie 1954 bei einer Show im New Yorker Madison Square Garden auftrat.

Marlene, die Sammlerin. Ihr Nachlass umfasst nicht nur Berge von Korrespondenz und Bildmaterial, Kisten und Kasten voller Kleidungsstücke, sondern auch Unmengen von kuriosen, seltsamen, beeindruckenden und berührenden Devotionalien, Geschenken, Briefen und Erinnerungsstücken. Etwa der Ausschnitt aus einer Illustrierten mit dem Foto Robert Redfords. „He is still my DREAM-MAN“, hat sie an den Rand geschrieben. Oder Ute Lempers Brief von 1987, in dem sie Marlene um Verzeihung bittet. „Wahrscheinlich wissen Sie gar nicht, wer ich bin.“ Peinlich sei es ihr, in Zeitungsartikeln immer wieder mit Marlene verglichen zu werden. Oder jener Zettel, auf dem Marlene merkwürdigerweise all jene Männer auflistete, die ihrer Meinung nach Elizabeth Taylor ruiniert haben sollen.

Das Schöne an Marlenes manischer Sammelwut und ihrem harten Entschluss, dies auch wirklich alles für die Nachwelt und für ihren Nachruhm zu bewahren: Man wird über sie nie mehr eine klassische, langweilige Schauspielerausstellung gestalten müssen. Wo man sich bei anderen Stars meist mit Briefen, Fotos und Programmheften begnügen muss, steckt Marlenes Schatz voll mit luxuriösen Fummeln und Alltagsgegenständen mit kleinen, sehr berührenden Details. Diese Ausstellung, sagt, sagt ihr Enkel Riva, gewähre einen Einblick in das Innenleben Marlene. „Sie ist intimer zu erleben denn je.“ Das stimmt genau.

AXEL SCHOCK

Bis 17. Februar 2002, Di–So 10–18, Do bis 20 Uhr, Filmmuseum Berlin am Potsdamer Platz