EM.TV-Prozess

Haffa-Brüder bald vor Gericht. Bewährungsstrafe wahrscheinlich. Schadenersatzklage abgewiesen

BERLIN taz ■ Der Prozessdschungel gegen den Fernsehrechtsvermarkter EM.TV lichtet sich: Am Donnerstag hat das Landgericht München eine Klage von 59 Aktionären auf Schadensersatz von rund 1,7 Millionen Mark gegen das Medienunternehmen abgewiesen. Die Kammer habe das Begehren ohne Beweisaufnahme zurückgewiesen, da eine rechtliche Grundlage für Schadensersatzansprüche nicht ersichtlich gewesen sei, teilte EM.TV in München mit. Die Kläger hatten angegeben, durch falsche Gewinn-Darstellungen der Gesellschaft und ihrer Vorstände zum Kauf von EM.TV-Aktien veranlasst worden zu sein. EM-TV vermarktete unter anderem die Muppet-Show und die Formel 1. Die Münchener Rechtsanwältin Daniela Bergdolt, die die Kläger vertritt, sagte, sie erwäge eine Berufung warte jedoch noch auf die Urteilsbegründung.

Von anderen enttäuschten Aktionären laufen noch diverse Schadensersatzverfahren an verschiedenen Gerichten. Der EM.TV-Aktienkurs am Frankfurter Neuen Markt sprang nach Bekanntwerden der Gerichtsentscheidung um gut 14 Prozent nach oben – auf knapp 2,8 Euro. Der Höchststand der Aktie lag Ende 1999 weit über 100 Euro.

Ein Strafprozess gegen die ehemaligen Vorstände von EM.TV, die Gebrüder Haffa, wird hingegen immer wahrscheinlicher. Noch hat die Staatsanwaltschaft München zwar die Ermittlungen nicht abgeschlossen, doch nach taz-Informationen wird dies Ende Oktober geschehen. Am Ende des Verfahrens könnte etwa eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung stehen, wird gemutmaßt, auch wenn Oberstaatsanwalt Manfred Wick derzeit von einem „offenen Ausgang“ der Ermittlungen spricht.

Im Fall der Gebrüder Haffa könnte es erstmals zu einem Urteil nach Paragraph 400 des Aktiengesetzes kommen, wonach die Haffas für die falsche Darstellung der Firmenlage haftbar gemacht würden. In ähnlichen Fällen am Neuen Markt hatte es bisher nach Schadensersatzklagen gegen die Vorstände nur Zivilprozesse gegeben. Sensationell war dabei das Urteil gegen das Augsburger Software-Unternehmen Infomatec vor wenigen Wochen. Erstmals war dabei einem Kleinanleger als Schadensersatz sein gesamter Einsatz zugesprochen worden. Einen Strafprozess gab es nicht, die Staatsanwaltschaft ermittelt noch.

Unterdessen räumt der Wirtschaftsjornalist Detlef Gürtler in einem Buch über den Fall Haffa eine Mitschuld von sich und seinen Kollegen ein. Sie hätten nicht rechtzeitig genug die Methoden überprüft, mit denen die EM.TV-Aktie „gegen jede Vernunft nach oben gepustet“ wurde. GREGOR THOLL