„Auch schon mal nicht schlecht“

Mit ängstlichem Gesicht zogen die Herthaner ins Olympiastadion. Zwar gewannen sie am Ende mit 3:1. Allerdings taten sie sich extrem schwer gegen das Team von Werder Bremen, das schon ab der 21. Minute nur noch zu Zehnt auf dem Platz war

von MARKUS VÖLKER

Die auf „Hinrichtungen“ spezialisierten Herren Straten und Otte von der Bild klaubten nach dem Spiel keineswegs Argumente zusammen, wie sie den Volkszorn gegen Trainer Jürgen Röber anheizen könnten. Sondern sie stritten sich ganz banal um die Note für Berlins Abwehrspieler Josip Simunić. Otte setzte sich gegen seinen Chef durch und vergab ein „Gut“. Auch in der Sonntagsausgabe ihres Blattes bemühten sich beide Schreiber um alle ihnen zur Verfügung stehende Milde. „Zu Hause geht’s doch! Hertha versöhnt Fans“, titelte Bild am Sonntag mit gespieltem Wohlwollen.

Es hatte sich unter der Woche einiges zusammengebraut in Berlin. Die Probleme, katalysiert durch das 0:4, „diese Klatsche“ (Trainer Jürgen Röber) in Hamburg, schienen Züge zu gewinnen, die über das übliche Maß der zyklischen Krise hinausgingen. Präsident Bernd Schiphorst intervenierte besorgt. Während des Spiels gegen Werder Bremen gewann Röber mitunter die Anmutung eines Klaus Kinski. Adrenalindurchflutet gestikulierte er an der Seitenlinie und verfiel in wilde Veitstänze, sobald er ein Vergehen seiner Schützlinge ausmachte. Der Energietransfer von ihm auf die Spieler schlug allerdings fehl. Schon in der Kabine vor dem Spiel blickte Röber in „verunsichterte, ja zum Teil ängstliche Gesichter“ von Spielern, die nicht den Anschein machten, „relaxt“ ins Match gehen zu können.

Hoeneß, der nach Spielende einräumte, immer noch „Krisenmanagement“ zu betreiben, kam sich wohl vor wie ein Eselstreiber, der seinem Muli die Karotte vor die Nase halten muss, damit sich das störrische Vieh endlich in Richtung Champions League bewegt und nicht ins Niemandsland des Bundesligafußballs. Um das zu verhindern, begab sich der Verein auf Fehlersuche. Aber wo anfangen? Beim Trainer, der vor der Saison kreativen, ansehnlichen Fußball versprochen hatte und mittlerweile einen Verteidiger tadelt, wenn dieser „den Ball lupft, anstatt nach vorne zu schlagen“? Beim Manager, den die Anhänger mit dem Plakat „Wir verstärken unsere Offensive, damit die Abwehr entlastet wird (D. Hoeneß)“ ärgerten? Bei der Mannschaft, in der selbst die Brasilianer Alex Alves und Marcelinho nicht mit Fehlpässen und Stockfehlern geizen?

Die Ratlosigkeit greift weiterhin Raum. Trotz der zwei Siege. Nach dem 1:0 am Mittwoch bei Viking Stavanger gab Röber zu, die Norweger hätten nicht den besten Tag gehabt. Am Samstag folgte der zweite Sieg: 3:1 gegen Bremen im Olympiastadion. „Zwei Spiele gewonnen, ist ja auch schon mal nicht schlecht“, sagte Röber und erinnerte sich mit Grauen an die „mental und physisch so anstrengende Woche“. Seine energische Art sei dringend vonnöten, sagte er, denn „wenn ich mich nicht aufrege, kann ich mich gleich in die Loge setzen“. Außerdem gelte es, das Team anzustacheln.

Dabei kam Hertha entgegen, dass Bremen in der 21. Minute „so eine Situation hatte“, wie Gästetrainer Thomas Schaaf sagte. Die Situation war folgende: Mladen Krstajic musste mit Gelb-Rot vom Platz. Zu diesem Zeitpunkt stand es 1:1. Den Führungstreffer von Pal Dardai (7.) glich keine Minute später der Bremer Stürmer Ailton aus. Trotz des Feldverweises gelang es Werder, die Berliner in die „Rückwärtsbewegung zu fordern“, so Röber. Die Tore aber erzielte Hertha, Bart Goor (31.) und Marko Rehmer (60.). Gäste-Trainer Thomas Schaaf tat sein Team „ein bisschen Leid“, weil „mehr drin war“, seine Mannen Charakter gezeigt und so viele „hundertprozentige Chancen“ auf dem Schlappen gehabt hätten. Nur die BamS stellte den Spielverlauf dann noch auf den Kopf und schrieb: „Hertha schlägt eiskalt zurück.“