Vögel an der Wand

Das Reihenhaus für den Sperling: Schuld daran sind Gruppentrieb und der Mensch  ■ Von Sandra Wilsdorf

Spatzen sind soziale Wesen. Und deshalb soll ihnen nicht vorenthalten bleiben, was Menschen als die ideale Wohnform entdeckt haben, wenn sie ein irgendwie eigenes Dach über dem Kopf haben, aber trotzdem bei jedem Telefongespräch, Haaretrocknen oder Streit der Nachbarn live dabei sein wollen: Das Reihenhaus. Das Reihenhaus für den Spatz stellte gestern der Naturschutzbund Deutschland (NABU) als Weltneuheit vor: Bis zu drei Familien leben da Wand an Wand. Die Häuser sind übrigens spechtfest und atmungsaktiv mit gepressten Holzspänen und Sägemehl hergestellt - dem so genannten Holzbeton.

Genau genommen hat die sonderbare Lebensform des Reihenhauses für Mensch und Spatz den gleichen Ursprung: Bei seiner gründlichen Ausbreitung ließ der Mensch nämlich nur wenig Platz für andere.

Und so ist auch dem Spatz sein Lebensraum weitgehend abhanden gekommen: Der Sperling liebt Nischen, Spalten und Hohlräume. An den glatten Hausfassaden neuer oder modernisierter Gebäude kann er also nicht brüten. Auch die herkömmlichen Nistkästen hat der Spatz bislang ignoriert, weil in den Einzelhäusern seine Großfamilien nie Platz fanden. Das Reihenhaus soll dem Gruppentrieb Rechnung tragen. Dass das funktioniert, haben Ornithologen in England und Dänemark bereits bewiesen.

Weil es in der sterilen Stadt von heute nicht genügend Insekten gibt, verhungern außerdem viele kleine Spatzen. Auch radikal frisierte Hecken entziehen dem Sperling Heim und Speisekammer. Und so ist Hamburgs Spatzenbevölkerung in den vergangenen 30 Jahren um die Hälfte zurückgegangen: Etwa 29.000 Brutpaare leben zurzeit noch in der Hansestadt.

Weil das bedrohlich wenig sind, hat der NABU den Spatz zum Vogel des Jahres 2002 ernannt und die Kampagne „Mach' Platz für'n Spatz“ gestartet. Die besteht aus Aufklebern und Ratschlägen zur Rettung der in aller Welt beheimateten Vögel: Wenn eine Fassade außer kraterreich auch noch begrünt ist, freut das den Spatz besonders. In Wein oder Efeu lebt und isst er gern. Und wer in seinem Garten Wildkräuter oder Sträucher zur Nahrung anbietet, erfreut ihn ebenso, wie durch kleine Ecken, in denen Unkraut wachsen darf, das wiederum die Insekten anlockt, die die Spatzen so dringend zur Aufzucht ihrer Jungen brauchen. Auch nicht schlecht sind Sandbadestellen. In denen suhlt sich der Vogel, um Parasiten loszuwerden.

Natürlich ist der NABU mit gutem Beispiel vorangegangen und hat gleich zwei Spatzen-Reihenhäuser an seine Fassade gebaut. Die bieten Platz für sechs Sperlingsfamilien in der Habichtstraße.

Reihenhäuser für Spatzen gibt es beim NABU für knapp 100 Mark. Die Aktionsmappe „Mach' Platz für'n Spatz“ kann gegen Einsendung von zehn Mark in Briefmarken ebenfalls beim NABU angefordert werden: Habichtstraße 125, 22307 Hamburg.