village voice
Westanbindung mit Jusko Trust und To Rococo Rot
: Zurück am Ring

So etwas nennt man wohl einen historischen Konflikt. Auch nach dem Ende von Westberlin wurde die Dominanz von hinzugezogenen Kölner Künstlern vor Ort meist nur belächelt. Was war schon intelligenter Kölsch-House gegen eisenharten Tresor-Techno? Pah! Und was waren die paar Neuberliner Kunstgestalten in Mitte gegen die Kreuzberger Wilde-Maler-Front? Eben, jar nüscht!

Vorbei, vorbei, das alles. Und viel komplizierter. Denn auch die Arbeitszusammenhänge scheinen komplizierter geworden zu sein: Wer bei pro qm in der Schönhauser Allee arbeitet, kann abends trotzdem im „Mysliwska“ am Schlesischen Tor einen trinken gehen. Deshalb ist es auch ziemlich schwierig herauszufinden, wer wo eigentlich was in Sachen Kultur produziert.

Da sind zum Beispiel Jesko Fezer und Judith Hopf: beides KünstlerInnen, die man zum Galerienkontext von Mitte zählen würde. Doch weit gefehlt, Fezer stellt mit Axel John Wieder in Charlottenburg aus, und Hopf findet man eher bei Ausstellungen in Braunschweig oder Düsseldorf wieder – oder im Kölner Umfeld. Entsprechend wird ihre Mini-Ep „jusko trust“ vom Kompakt-Label vertrieben, dass unter anderem auch Platten von The Modernist herausgebracht hat. Natürlich hat Kompakt sein Büro in Köln. Und natürlich klingt auch „jusko trust“ mehr nach angeheitertem Dub-House für Kneipen wie das „Six Pack“ am Kölner Ring als nach miesepetrigem Wohnzimmer-LowFi für melancholische Mitte-Start-Ups.

Dabei hat „jusko trust“ ein grundehrliches politisches Anliegen: Ideologiekritik tanzbar machen. Die Texte sind auf wenige Slogans begrenzt, aber durchaus kämpferisch. Wenn man die Zeilen „hey produktion / you are not the only one“ mehrmals gehört hat, wird daraus so eine Art Überlebensparole für all die flexibilisierten Subjekte, die zwischen Werbefirmen, Computerdienstleistung und anderen kreativen McJobs ziellos hin und her driften. Erfolg ist hier nur eine weitere Nullstelle hinter dem Komma, mehr Weg als Ziel. Deshalb kann Hopf auch im Refrain von „karriere“ singen: „it’s the window that you open“, wenn sie an die eigene Zukunft denkt. Das ist für Berliner Verhältnisse enorm uplifting und steht doch im Widerspruch zur nassforschen Befindlichkeitslyrik von 2raumwohnung.

Bei To Rococo Rot hat sich das elektronische Zirpen als amtlicher Hauptstadtsound ein wenig abgenutzt. Was liegt da näher als ein Ortswechsel? Das Ergebnis liegt nun mit „kölner brett“ vor, einer auf CD gepressten Soundinstallation, die für eine Architekturausstellung in Orleans produziert wurde. To Rococo Rot waren eingeladen, um ein Gebäude der Kölner Architekten b&k+ in Songs zu übersetzen: Zwölf Stücke, die als „Module von jeweils gleicher Länge“, wie es im Booklet heißt, die Struktur und Form des 2000 errichteten Neubaus reflektieren.

Auch wenn die Songs rein instrumental gehalten sind, merkt man, dass sich To Rococo Rot die Architektur als organischen Prozess vorstellen: Hier ein bisschen Geräuschekammer, dort etwas Computergeometrie und mitten drin ein gut gedroppter Funk, mit dem die „Lebens- und Arbeitsbedingungen“ aufgegriffen werden, die in solch einem Gebäude bestehen. So wird der minimalistische Baukasten in sein akustisches Pendant überführt, das spielerisch Ecken schleift und Wände schafft, wo das Original nicht zwischen Wohn- und Arbeitsräumen trennen mag. Die Erweiterung, die man hört, passt zur Architektur, ohne sie in Grund und Boden zu stampfen. Einstürzende Neubauten? Das war einmal.

HARALD FRICKE

jusko trust: parfüm 4 (kompakt)To Rococo Rot: kölner brett (www.Staubgold.com)