: Aufführung als Politikum
Unterfinanziertes Pilotprojekt: Die deutschsprachige Erstaufführung von Anatole Minkas Die Ministertocher auf Kampnagel ■ Von Karin Liebe
Prostituierte, Dealer, Diplomaten und Hausdiener – so lautet das Standardrepertoire für schwarze Schauspieler. Mehr Varianten gibt es nicht, sagt Hanno Hackbart. Der Übersetzer, Produzent und Regisseur des afrikanischen Theaterstücks Die Ministertocher, das jetzt auf Kampnagel als deutsche Erstaufführung zu sehen ist, war lange auf Darstellersuche. Für die Besetzung der 1984 uraufgeführten Komödie des Kameruners Anatole Minka hat er mit vielen schwarzen Profi-Schauspieler gesprochen. Alle klagten sie unisono über das spärliche Rollenangebot. Und sagten Hackbarth trotzdem mehrheitlich ab.
Nicht etwa, weil in der Komödie Die Ministertochter eine (ehemalige) Prostituierte im Mittelpunkt steht und zudem noch ein krimineller Hausdiener vorkommt, sondern weil die Gage unterhalb ihrer Schmerzgrenze lag. Hackbarth gibt zu: Das Projekt der für die deutsche Erstaufführung gegründeten freien Theatergruppe Oronya sei trotz diverser Fördergelder mit einem Etat, der nur bei einem Viertel vergleichbarer Theaterproduktionen liegt, „rapide unterfinanziert“.
So wirken neben professionellen Schauspieler ein Bäcker aus Ghana, ein kubanischer Tanzlehrer sowie diverse Tänzer und Musiker mit. In dem ersten auf Deutsch gesprochenem Stück in Hamburg ist Andre Gilbert Ehoulan, ehemaliger Intendant des Teatron-Theaters, gleich in drei Rollen zu sehen und führt daneben noch zusammen mit Hackbarth Regie.
Die Ministertochter ist Hackbarths erste Regiearbeit am Theater, bislang war er für Film- und Fernsehproduktionen als Regieassistent tätig. Schnell hat er, der schon länger daran dachte, einen Film über die afrikanische Gemeinde in Hamburg zu drehen, Theaterblut geleckt. Doch wie es mit der Theatergruppe Oronya weitergehen soll, steht noch in den Sternen.
Ihr Debüt an einem deutschen Theater gibt die Kamerunerin Anastasia Kuma in der Titelrolle der Ngono. Sie spielt das mittellose Straßenmädchen, das auf einer Hochzeitsfeier einen reichen jungen Mann kennen lernt. Ngono sieht nur eine Chance, ihrem ärmlichen Dasein zu entkommen: sich einen wohlhabenden Ehemann zu angeln. Dafür gibt sie sich als Tochter des Ministerpräsidenten aus. Doch bald gerät ihr Lügengebäude ins Wanken: Ihr Schwiegervater stellt sich als ehemaliger Freier he-raus, dessen Reichtum auf Falschgeldgeschäften beruht.
Die Ministertochter ist Minkas bislang erfolgreichstes Stück. Der 1948 in Kamerun geborene Autor ist eng mit Deutschland verbunden. Er verließ 1973 sein Heimatland und landete als „Armutsflüchtling“ und blinder Passagier ohne Pass, Visum, Geld und deutsche Sprachkenntnisse im Bremer Hafen. Später studierte er als erster ausländischer Student an der Universität Oldenburg – und kehrte 1982 nach Kamerun zurück, wo er im Erziehungsministerium arbeitete und die Theatergruppe legat fous gründete.
Regisseur Hackbarth ist seit langem mit Minka befreundet. Schon vor acht Jahren fragte ihn der Autor, ob er nicht sein 1984 in Kameruns Hauptstadt Jaunde uraufgeführtes Stück Die Ministertochter vom Französischen ins Deutsche übersetzen wolle. Hackbarth zögerte lange, fand dann endlich die Zeit und schickte das Stück vor einem Jahr an die Kampnagel-Leitung. Die sagte prompt zu. Am 31. Oktober ist es so weit: Dann feiert Die Ministertochter als Koproduktion mit Kampnagel und in Zusammenarbeit mit dem Interkulturellen Festival Eigenarten Premiere.
Hackbarth ist stolz, dass endlich ein Stück „authentischer Selbstdarstellung“ der in Hamburg lebenden Schwarzen Raum in der Öffentlichkeit bekommt. Auch wenn die Komödie nicht wirklich politisch sei, so wäre die Aufführung an sich schon ein Politikum. Und er hofft, dass damit ein paar Vorurteile revidiert werden. Zum Beispiel das, alle im Schanzenviertel lebenden Schwarzen seien Dealer.
Premiere: 31.10., 19 Uhr k1, weitere Vorstellungen: 2.11. bis 4.11. 19 Uhr, am 2.11. zusätzlich auch 11 Uhr
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