Mit Mitglied boomt Bio

■ Es tut sich was in der Bremer Naturkost-Szene: Mitgliedsläden sind stark im Trend Die Alteingesessenen versuchen mit neuen Wegen, Kunden zu binden

Vor der „Flotten Karotte“ in Findorff schiebt eine Bioladenkundin wie aus dem Bilderbuch den Kinderwagen die Rampe hinauf. Alles an ihr ist „öko“: Kleidung, Frisur, ja sogar der Blick! „Ich warte seit Jahren auf so einen Laden hier in der Nähe“, erklärt sie strahlend. „Ich ernähre mich seit 20 Jahren öko, musste aber entweder auf den Ökomarkt oder im teuren Bioladen einkaufen“.

Das freut Corinna Furmaneck, Mitinhaberin des neuen Geschäfts: „Dass Naturkost nur für Leute mit relativ viel Geld zu kaufen war, hat mich immer geärgert.“ Sie ist schon seit den Zeiten der „Food-Coops“, die nach Tschernobyl entstanden sind, dabei. Und sie ist sicher, dass der nächste Lebensmittelskandal nicht lange auf sich warten lassen wird. Daher glauben sie und ihre Geschäftspartnerin Marion Derix an den Erfolg des Ladens.

Dabei helfen soll das Mitglieds-Konzept. „Naturkost für alle ohne Apothekenpreise“, das ist das Motto der „Flotten Karotte“. Die Preise scheinen zunächst ganz schön günstig. Zum Beispiel kostet ein Kilo Bio-Roggenbrot statt wie in „normalen“ Bioläden rund 6-7 DM hier 5,35 DM. Um die Laden- und Personalkosten herein zu wirtschaften, nehmen die Inhaberinnen aber zusätzlich einen Mitgliedsbeitrag: Für eine Person 30 Mark pro Monat, für zwei 50 Mark.

Wer nur einzelne Bioprodukte wie Olivenöl, Bioshampoo, biologischen Wein oder Vollkornbrot kaufen will, wird sich die Monatsgebühr sparen und lieber in einen der rund zehn „normalen“ Bioläden Bremens gehen. Außerdem gibt es ja noch die Supermärkte.

„Immer mehr Supermärkte haben Bio-Ecken. Das hat die Akzeptanz von Biowaren sehr gefördert,“ erklärt Corinna Furmaneck. Die beiden Geschäftsfrauen sind sicher, dass es in Zukunft nur noch die großen Bio-Läden geben wird und kleinere Mitgliedsläden – so wie die „Flotte Karotte“.

Neben alteingesessenen BiokonsumentInnen erwarten die beiden Chefinnen einen KundInnenkreis, der sich an Bioessen erst herantasten muss. Diese „Neuen“ sind Menschen, die wegen der Agrar-skandale um ihre Gesundheit besorgt sind, Kleinkinder oder Angst vor Allergien haben.

Ein gediegen wirkendes mittelalterliches Ehepaar schiebt gemächlich den Einkaufswagen durch den großen Geschäftsraum und betrachtet Gemüse und Obst: Sie wollen wissen, ob die Zitronen ungespritzt seien. „Alles ist hier ungespritzt, und deshalb ist keine einzelne Auszeichnung an der Zitrone nötig“, erklärt Marion Derix.

Die konventionellen Bioläden dürften durch die Konkurrenz der Mitgliedsläden in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Das merkt auch das „Grütz“, ein 15 Jahre alter kleiner Bioladen. Die Inhaberin Rose Richards klagt über KundInnenschwund Richtung Mitgliedsläden. Richards Geschäft in der Hamburger Straße liegt zum Glück günstig im „Viertel“-Dunstkreis.

Das „Grütz“ bietet zwar auch die Möglichkeit zur Mitgliedschaft, das nutzen aber nur ein Drittel der KundInnen. Dabei kann man sogar die Beiträge aussetzen, wenn's in Ferien geht.

Der Rest der KundInnen konzentriert sich auf einzelne Produkte wie Brot, Eier, Kartoffeln oder Tees. Außerdem bietet Richards spezielle Nahrungsmittel für MakrobiotikerInnen an. Rose, wie alle sie nennen dürfen, bespricht zudem mit den Kunden Ernährungsfragen und lädt regelmäßig zu Vorträgen ein. Dadurch hält sie sich einen festen KundInnenstamm – und glaubt, den neuen Mitgliedsladen-Boom zu überstehen.

Gudrun Fischer