: Schmalzengel auf Pille
Von Kulturschafen in Kriegszeiten: Der Mosi zeigt uns, wo der Hammer hängt
Im gegenwärtigen Kriegsgetümmel zwischen Bin Laden und Bush gehen vor allem die feinen und zarten Töne deutscher Kulturschaffender unter. Das darf nicht sein, denn gerade Kultur hilft schließlich Kriege zu verhindern und darf deshalb nicht ungehört verhallen. Diesem Skandal soll hiermit ein Ende bereitet werden, indem das Augenmerk auf einen der ganz Großen der weltweiten deutschen Kultur gerichtet werden soll, auf Rudolph Moshammer.
„Mosi“ ist ein Synonym beziehungsweise sogar Superlativ für Geschmacksverirrung, durch die sich als Modedesigner mit dem Hang zum Barocken gut verdienen lässt. In Deutschland trifft Moshammer exakt den Geschmacksnerv des Spießers, der er selbst ist und der sich mit Rokokoimitaten seine kleine Trutzburg gegen die äußere Feindeswelt erschafft. Ein immer aufs Peinlichste herausgeputzter Gockel mit schuhcremeschwarz gefärbter Ballonfrisur und einer angesichts seiner Vorliebe für schrille Farben überraschenderweise ebenfalls schwarzen Rotzbremse. Der nie ohne fette, hässliche Klunker und seine Promenadenwurst Daisy ausgeht, das aber ständig. Ein typischer Adabei, dem man nur eine Kamera vor die Nase zu halten braucht, damit er auf der Stelle anfängt, aufs Unangenehmste herumzuschwuchteln.
Kürzlich hatte „Mosi“ einen Traum, für die Zeit. Darin geriert sich der ganz und gar künstliche Barockspießer als naturschützender Grüner, der „von der Unsterblichkeit der Berglandschaften, der Wälder, der Flüsse“ schwafelt, und „von Berghängen, auf denen die Sessellifte wieder verschwunden, von Alpentälern, die nicht mit Autobahnen und Hotels zubetoniert sind.“ Dabei denkt Moshammer „in Bildern, ja in Bildbänden.“ In Bildbänden denken? Lesen zu schwierig?
„Es ist ein einziges visuelles Theater in bunte Panoramen, das sich in meinem Kopf und vor meinem inneren Auge abspielt.“ Und: „Meine Träumereien sind . . . von grandioser Buntheit.“ Nimmt Moshammer LSD oder Ecstasy? Als der Gesangsnervensäge Gotthilf Fischer auf der Love Parade angeblich Ecstasy in sein Getränk gekippt wurde, sah der Mann auch überall „bunte Papageien“ herumfliegen. Obwohl „Mosi“ also offensichtlich Rauschmittel zu Hilfe nimmt, um sich zu stimulieren, beschwert er sich darüber, dass „junge Menschen nicht mehr in den Wald gehen, sondern ins Internet, und statt eines Hundes hätscheln sie ein Tamagotchi.“ Quel scandale! Junge Menschen, hört auf Rudolph Moshammer und geht mehr in den Wald! Und lernt dort die moralische Maxime des feisten Barockengels auswendig, ein in Schmalz gehauenes Manifest des Guten, Schönen und Wahren, das sich dicker kaum auftragen lässt, garantiert aus 100-prozentigem Kitsch besteht und von Heidi auf der Alm stammen könnte. Er könnte sich damit sogar als Drehbuchautor für eine Försterserie im Vorabendprogramm des ZDF bewerben, denn der liebe, gute Onkel Moshammer ist dafür, „dass alle Menschen Freude an ihrem Leben haben. Und vor allem: dass sie ihre Dankbarkeit nie verlieren. Dass sie in Harmonie mit sich, anderen und der Natur, dass sie mit Maß und Ziel ihr Leben leben.“ Schnitt.
Dann sieht man in einem langen Fadeout Moshammer über saftige Wiesen auf den bewaldeten Hügel am Horizont zuschreiten, in die untergehende Sonne hinein, die ergriffen von seiner Sonntagspredigt mit aller Kraft erglüht, während die heilige Försterfamilie, der er diese Botschaft überbracht hat, ihm lange hinterherwinkt. Ergriffen geben auch wir nun den Griffel ab und lassen Rudolph Moshammer dahinziehen in der Hoffnung, dass er sich langsam entmaterialisiert haben könnte. Das ist er uns nach der Lektüre seines Traums schuldig. KLAUS BITTERMANN
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