Der Präsident soll kräftig brummen

Jesús Gil y Gil drohen über 17 Jahre Haft für die Ausplünderung des von ihm geführten Fußballclubs Atlético Madrid

MADRID taz ■ Spaniens Fußball könnte schon bald eine seiner schillerndsten und umstrittensten Figuren verlieren. Jesús Gil y Gil, seit 1987 Präsident von Atlético Madrid, derzeit Tabellenführer der zweiten Liga, muss vor Gericht, wo ihm bis zu 17 Jahre und sechs Monate Haft drohen. Gil, sein Sohn Miguel Angel Gil Marín, Generaldirektor des Vereins, sowie Vizepräsident Enrique Cerezo haben nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft „Geldmittel des Clubs auf eigenen Konten verschoben“.

Falls die Richter des obersten spanischen Strafgerichts, der Audiéncia Nacionál, die Anschuldigung nachvollziehen können, müssen die drei nicht nur ins Gefängnis, sondern – so will es die Staatsanwaltschaft – außerdem das Geld zurück erstatten. Ihre Anteile am Club würden versteigert. 62 Zeugen sollen geladen werden. Unter ihnen Fußballgrößen wie Trainer Radomir Antic, der Atlético 1996 zu Meisterschaft und Pokalsieg führte.

Insgesamt haben die drei Angeklagten laut Staatsanwaltschaft umgerechnet 40 Millionen Euro veruntreut. Bei der Übernahme fast des gesamten Clubkapitals im Jahre 1992 zahlten Gil und Cerezo nur zum Schein den Preis von knapp acht Millionen Euro. Gil lieh sich das Geld bei einer Sportverwertungsgesellschaft und zahlte es auf ein Konto ein, das er selbst unter der Bezeichnung „Atlético Madrid im Umwandlungsprozess zur Aktiengesellschaft“ eröffnet hatte. Mit dem Beleg ging er zur Aufsichtsbehörde der Liga. Noch am gleichen Tag flossen die Millionen an die Sportverwerter zurück. Gil wurde somit offiziell Eigentümer von 63 Prozent der wenig später ausgegebenen Clubaktien ohne eine müde Pesete bezahlt zu haben. Weitere 31,5 Prozent erhielt Cerezo, ebenfalls als Produkt des Betrugs.

Doch das reichte Gil nicht: Mitte der Neunzigerjahre verkaufte er dem Club Rechte an vier Spielern, von denen drei nie Profistatus hatten. Weitere 16 Millionen Euro klingelten in Gils Privatkasse.

Jesús Gil wurde vor genau einem Jahr in einem anderen Verfahren wegen schmutziger Fußballgeschäfte schon zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Vereinspräsident und Bürgermeister Marbellas wurde für schuldig befunden, „willkürlich“ Geld aus der Gemeindekasse ausgegeben zu haben, um seinen eigenen Fußballclub zu sponsern, und das ohne die fraglichen fünf Millionen Mark in den Büchern der Kommunalverwaltung aufzuführen. Das Berufungsverfahren steht noch aus.

Doch damit nicht genug: In Marbella ermitteln Staatsanwälte wegen verschiedener Betrügereien bei Erschließung und Verkauf von Baugelände gegen Bürgermeister Gil. Während der Sommerpause sind zahlreiche Ermittlungsakten aus dem Gerichtsarchiv spurlos verschwunden. Ein Gerichtsdiener, der vermutlich hinter dem Raub steckte, stürzte sich vor wenigen Wochen aus dem Fenster.

REINER WANDLER