dieser verdammte krieg (xvii)
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ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz.

Rechtstaatlichkeit heute

Etwas Kathartisches liegt in der Rache, im Kalkül der Vergeltung, der Bereitschaft, dem ersten Impuls mit archaischer Unmittelbarkeit zu begegnen. Es liegt auch etwas Kathartisches in Spenden, Aktionen für den Frieden oder dem Abusus der Augenzeugenberichte.

Die Handlungen dieser Wochen haben ihren Sinn oft weniger in der Sache, als in der Psyche der Überlebenden, und so ist auch der Krieg, der das Elend Afghanistans mit einem Bombenteppich bedeckt, weder eine Antwort auf den Terrorismus noch ein Angriff auf seine Voraussetzungen noch ein Anschlag auf seine Wurzeln.

Er bildet vielmehr das Kontinuum der Vergeltung und das umso mehr als Rumsfeld nun einräumt, vielleicht werde man Bin Laden nie finden, denn – wirklich! – die Erde sei zu groß. Soll also der sonore Lärm der kriegerischen Rache-Kampagne das Basso Ostinato unserer Kultur bleiben?

Für solche Situationen der Gefährdung und Selbstgefährdung rühmen sich Staaten ihrer Rechtstaatlichkeit.

Die bewahrt sie selbst davor, die Gewalt über das Gesetz zu stellen und legt in die Hände von Richtern, was jetzt Politiker in Händen halten: Das Recht, „Beweis“ zu nennen, was kein unparteiisches Auge je gesehen; das Recht, Einen zur Exekution freizugeben, der nicht gehört wurde, ihn persönlich mit dem Tod zu bedrohen, was kein Rechtsstaat seinen Führern gestattet; das Recht, die Zerstörung eines Landes als Kollateralschaden zu deklarieren, das Recht schließlich, die Gemeinschaft derer zu sprengen, die sich zuvor wenigstens durch ihre Vorstellung von Recht verbunden glaubten.

MONTAG: Wiglaf Droste

Anmerkungen? unfried@taz.de