Taliban töten Abdul Haq

Der Ex-Mudschaheddin ist in Afghanistan in die Hände der Taliban geraten und vermutlich exekutiert worden. Widersprüchliche Angaben zur Gefangennahme. Widerstand verliert eine zentrale Figur

DEHLI taz ■ Falls die USA noch einen Beweis für die relative Stabilität des Taliban-Regimes brauchten, lieferte sie ihnen am Donnerstag die Festnahme von Abdul Haq. Der Ex-Mudschaheddin-Kommandant wurde in seiner Heimatprovinz Nangrahar von Taliban-Verbänden zusammen mit mehreren seiner Anhänger gefasst und soll nach Angaben der Taliban erschossen worden sein.

Haq war einer der Guerillahelden im Krieg gegen die Sowjets gewesen und nach der Befreiung Kabuls im Jahr 1992 mit dem Amt eines Polizeiministers belohnt worden. Ermüdet vom Streit unter den Siegern zog er sich bald in die Vereinigten Arabischen Emirate zurück, wo er eine Karriere als Geschäftsmann begann. Der 11. September und seine Folgen – mit Afghanistan im Zentrum – brachten ihn ins pakistanische Peschawar, wo er mit dem Segen von Ex-König Sahir Schah eine politische Anti-Taliban-Koalition aufbauen wollte.

Über die Motive von Haqs Exkursion und die Umstände seiner Verhaftung gibt es allerdings unterschiedliche Versionen. Die Taliban behaupten, Haq hätte sich mit einer Gruppe von 100 Bewaffneten in Afghanistan absetzen lassen, um im Innern eine Guerillafront gegen die Taliban zu bilden. Er sei umzingelt worden und habe per Satellitentelefon vergeblich die Hilfe von US-Helikoptern angefordert. Als Haq auf einem Pferd fliehen wollte, wurde er abgefangen. Die USA hätten daraufhin Taliban-Stellungen bombardiert und zwei Taliban-Kämpfer verletzt.

Bei einer Pressekonferenz in Peschawar berichtete Haqs Bruder Hajid Bin Mohammed dagegen, Haq habe sich auf einer Friedensmission befunden und wollte in Gesprächen mit Vertretern seiner Heimatregion die Möglichkeit einer politischen Alternative im Landesinnern diskutieren. Bei einem solchen Treffen wurde Haq zusammen mit unbewaffneten Anhängern verhaftet.

Die Verhaftung oder gar derTod von Abdul Haq ist ein empfindlicher Rückschlag im Kampf gegen die Taliban. Haqs Profil – populärer Mudschaheddin, einflussreicher Paschtune, Anhänger des Königs – machte ihn zu einer Figur, die vom Westen als Zentrum für eine Anti-Taliban-Front außerhalb der Nordallianz angesehen wurde.

Vor wenigen Wochen sagte Haq im Interview mit der taz, dass die einzige Chance für Afghanistan in einem Umsturz von innen läge. „Der Aufstand muss von den Stämmen kommen. Wenn die Taliban-Soldaten merken, dass die Stammesführer hinter uns stehen, werden viele die Seite wechseln.“ Vergebens hatte er vor den US-Militäraktionen gewarnt: „Wenn die Bomben Häuser zerstören, treibt das die Menschen zurück in die Arme der Taliban.“ Bei seiner Reise nach Afghanistan ging es, falls die Version seines Bruders stimmt, Haq darum, eine solche Entwicklung zu verhindern. Er wollte einen Widerstand aufbauen, der von den Afghanen selber getragen würde. Seine Verhaftung und vermutliche Exekution stellt nun sicher, dass Abdul Haq selbst nicht mehr daran teilnehmen wird. BERNHARD IMHASLY