Das Glück, ein Sammler zu sein

Widerspenstige Leidenschaft für die Kunst: Walter Benjamin hätte in ihm bestimmt eine verwandte „taktile“ Seele gesehen, die von dem Verlangen getrieben war, Schätze nicht nur zu erwerben, sondern sie auch zu teilen. Ein Nachruf auf den kürzlich verstorbenen Kunstsammler Rolf Hoffmann

„Glück des Sammlers! Glück des Privatmanns!“, schrieb Walter Benjamin einst über seine Büchersammlung. Auch der 1934 geborene Rolf Hoffmann glaubte, dass diese zwei Arten von Glück untrennbar miteinander verbunden sind. Hoffmann sammelte zwar keine Bücher, sondern zeitgenössische Kunst. Die Sammlung Hoffmann, die seit 1997 in den Sophien-Gips-Höfen der Öffentlichkeit samstags zugänglich ist, blieb ausdrücklich eine private Sammlung, die Hoffmann selbst bewohnte und belebte. In ihm hätte Benjamin eine verwandte „taktile“ Seele gesehen, die von dem Verlangen getrieben war, Schätze nicht nur zu erwerben, sondern sie auch zu teilen. Seine widerspenstige Leidenschaft für die Kunst bewahrte er bis zu seinem Tod am 17. Oktober.

Rolf Hoffmann – Sammler, Unternehmer und Immobilienhändler – war in jeder Hinsicht ein „self-made man“. Noch während des Gymnasiums begann er, in der Bekleidungsfabrik seiner Eltern in Mönchengladbach zu arbeiten, der späteren Firma Van Laack, die er in den frühen 70er-Jahren übernahm. 1985 verkaufte der 51-jährige Hoffmann seine Firma und zog nach Köln, um sich Immobiliengeschäften und vor allem dem Sammeln zu widmen. Obwohl Hoffmann seinen frühen Traum zu studieren nie verwirklichte, sprach er drei Fremdsprachen und war in vielen weiteren Kulturen versiert – der hohen und der populären, der ausländischen und der einheimischen.

Hoffmanns Faszination für die Kunst begann in den frühen Sechzigern gemeinsam mit seiner Frau Erika, einer freiberuflichen Stylistin, die für die Lady van Laack Kollektion verantwortlich war. Beide suchten bewusst Kontakt zu Künstlern, um ihre eigene kreative Modearbeit zu inspirieren. Die seriellen Strukturen von ZERO, Roehr, Darboven sowie Motive der russischen Konstruktivisten lieferten Anregungen für Stoffdesign, Verpackung, Werbung. Diese Faszination entwickelte sich bald zu einer wahren Sammelleidenschaft.

1968 erwarb das Ehepaar eine Arbeit von Takis als die erste von vielen Anschaffungen, die die Sammlung nie wieder verlassen sollten. Im Gegensatz zum Londoner Sammler Charles Saatchi sammelten die Hoffmanns nicht, um zu spekulieren, sondern um Kunst in ihr Leben und in ihre Arbeit zu integrieren. Kurz bevor sie Werke der russischen Konstruktivisten erwarben, produzierten sie eine limitierte Serie von Kleidungsstücken, die die Konstruktivisten ursprünglich zu Beginn der Revolution entworfen hatten. Nachdem Andy Warhol 1980 ein „Diamond Dust“-Portrait der Hoffmanns fertig gestellt hatte, trat er als Modell für die wohlbekannten Van-Laack-Hemden während einer Modenschau im Loft der Hoffmanns in New York auf. Blinky Palermo gestaltete eine Wand in Hoffmanns Büro, während in der Firma eine „Shirt Art Gallery“ eingerichtet wurde, um die Werke junger Künstler auszustellen. Obwohl Hoffmann die Kunst liebte, hatte er wenig Respekt vor ihrer Autonomie und noch weniger Zeit, sie als Muße zu behandeln.

1990 kam der Vorschlag auf, eine Kunsthalle in Dresden zu bauen – die Hoffmanns waren fest entschlossen, ihren Beitrag zur Wiedervereinigung zu leisten und 40 Jahre internationaler zeitgenössischer Kunst in die Stadt zu bringen. In der Kunsthalle sollte nicht, wie häufig berichtet, ihre private Sammlung ausgestellt werden, sondern Leihgaben aus Privatsammlungen aus der ganzen Welt. Diese einzigartige Private-Public-Initiative, die 1993 durch Widersprüche der Regierung ins Stocken geriet, hätte den Wiederaufbau Dresdens entscheidend an die Gegenwart angebunden. Was Frank Stella in seinem Entwurf aus wirbelnden Barockbauten für die Kunsthalle Dresden konzipierte, hätte sich durchaus mit Frank Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao messen können.

Dresdens Ungeschick war Berlins Glück. Desillusioniert durch ihre sächsischen Erfahrungen kamen die Hoffmanns nach Ostberlin, wo sie auf drei Stockwerken in einem ehemaligen Fabrikgebäude, den heutigen Sophien-Gips-Höfen, ihre „bewohnte“ Sammlung eröffneten. „Was uns nach Berlin führte“, so Erika Hoffmann-Koenige, „war nicht die Erwartung einer großen Kunstszene oder deren Wiederbelebung, sondern das Interesse an den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nach der Wende und die Hoffnung, diese miterleben und vielleicht in unserem privaten Rahmen mitgestalten zu können.“ Ihre Präsenz war – wie die von Paul Maenz – jedoch entscheidend für die Entwicklung einer internationalen zeitgenössischen Kunstszene in Berlin. Jeder Galerist wird bestätigen: Kunst braucht nicht nur ein aufmerksames Publikum, sondern auch Sammler, die – anders als öffentliche Institutionen – flexibler sind und auch auf unbekannte Künstler setzen. Die Hoffmanns gehörten zu den frühen Förderern von Felix Gonzalez-Torres, Pipilotti Rist oder den Videoarbeiten AK Dolvens. Als Treffpunkt für Künstler, Sammler, Museumsdirektoren, Kuratoren und Galeristen diente die Sammlung auch dazu, unbekannte Künstler – Ernesto Neto, Patty Chang, Madeleine Berkhemer – vorzustellen und alte und neue Stars – James Lee Byars, Craigie Horsfield, Rineke Dijkstra, John Coplans – zu zeigen, die es noch nicht bis in die öffentlichen Berliner Museen geschafft hatten.

Dass viele die Sammlung Hoffmann als „Museum,“ „Stiftung“ oder sogar eine kommerzielle „Galerie“ bezeichnen, verrät den Glauben an das staatliche Monopol auf Kultur. Hoffmann begrüßte das, was Benjamin als öffentliches Misstrauen gegenüber dem Sammler erkannte, als Aufforderung zur Diskussion. Wie Albert C. Barnes, der eigensinnige amerikanische Sammler, der in seiner Barnes Foundation lebte, scheute Hoffmann nie davor zurück, seine Kunst zu zeigen und seine häufig kontroversen Meinungen auszudrücken und öffentlich zu diskutieren. Als Mitglied verschiedener Organisationen – The International Council of the MoMA New York, The International Council of the Tate Gallery London, Freundeskreis des Hebbel Theaters, Freunde der Nationalgalerie – engagierte sich Hoffmann über die Sammlung hinaus in vielen Initiativen. Seine Überzeugung, dass Berlin eine eigene Version des weltbekannten englischen „Turner Prize“ haben sollte, führte im vergangenen Jahr dazu, dass ein Preis der Freunde der Nationalgalerie geschaffen wurde. Im Februar begann er die Kampagne „Morgen statt Gestern“ gegen den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. „Rückwärts gerichtete Feudalnostalgie“, urteilte Hoffmann, obwohl viele seine Privatsammlung als wiederauflebenden Feudalismus anstatt als einmalige Kunsterfahrung missverstanden.

„Erst im Aussterben wird der Sammler begriffen“ – was Benjamin über den Typus schrieb, gilt hoffentlich auch für den einzelnen Menschen. Begriffen wird Hoffmann vielleicht, sicherlich aber wird er vermisst.

JENNIFER ALLEN

Aus dem Englischen von Claudia Kotte