DIE ENTWICKLUNGSHILFE HAT NEUERDINGS KONJUNKTUR
: Außenpolitisches Instrument

Entwicklungshilfe? Vor dem 11. September war sie ein Thema unter „ferner liefen“, plötzlich ist sie in aller Politiker Munde. Flugs fordern die Parteien von PDS bis CDU, den Etat des Entwicklungsministeriums zu erhöhen und die Armut weltweit und dauerhaft zu bekämpfen. Entwicklungshilfe, so der neue Tenor, sei „kein Mitleidsprojekt mehr, das von guten Aposteln betrieben wird“.

Tatsächlich ist die deutsche Entwicklungshilfe spätestens seit der Ölkrise Anfang der 70er-Jahre kein „Mitleidsprojekt“ mehr, sondern ein Werkzeug von Wirtschaftsministerium und Auswärtigem Amt. Mit Geldern aus dem Entwicklungsministerium werden Straßen gebaut – von deutschen Firmen. Das sichert Arbeitsplätze, daheim. Mit den Geldern werden Regionen stabilisiert, die sonst auf die schiefe Bahn geraten könnten. Im Kalten Krieg fürchteten die Deutschen die Hinwendung zum Kommunismus, heute vor allem Bürgerkriege, die Flüchtlingsströme gen Europa produzieren.

Dass Entwicklungspolitik sich den Interessen des Auswärtigen Amts unterzuordnen hat, zeigt kaum ein Land so deutlich wie Pakistan. Als sich Ende der 80er-Jahre die Sowjetunion aus dem Nachbarland Afghanistan zurückzog, versiegten auch die Geldströme aus Deutschland. Mit dem Ende des Kalten Kriegs verlor Pakistan weiter an Bedeutung. 1998 wurde die Zusammenarbeit eingestellt. Offizielle Begründung: General Muscharraf hatte sich an die Macht geputscht und damit gegen die Vorgabe einer „guten Regierungsführung“ verstoßen. Obendrein weigerte sich der General, ein Abkommen über den Atomteststopp zu unterschreiben. Inoffizieller Grund: Die Krise auf dem Balkan lag den Deutschen näher, also flossen die ohnehin schwindenden Entwicklungsgelder verstärkt in einen Stabilitätspakt für Südosteuropa.

Jetzt soll Entwicklungshilfe also zu dem aufgewertet werden, was sie schon immer sein sollte: zur Kooperation mit den armen Ländern, damit diese ihre Volkswirtschaften entwickeln können. Von wegen. Seit dem 11. September scheint die Unterstützung Pakistans wieder opportun – und die Regierung verhöhnt ihre eigenen Grundsätze in Sachen „Atomteststopp“ und „guter Regierungsführung“. Verhöhnt wird auch das Bekenntnis, Entwicklungshilfe müsse Armut beseitigen. Ein „Stabilitätspakt Zentralasien“ verhindert womöglich ein paar Fundamentalisten. Den 25 der ärmsten Länder der Welt, die weiterhin keine deutsche Unterstützung erhalten, hilft er jedoch nicht. Ihnen kann man in diesem Sinne nur wünschen, auch irgendwann zur so genannten Bedrohung für die zivilisierte Welt zu werden. KATHARINA KOUFEN