Warten auf die Details

Annäherung bei der Zuwanderung: Nachzugsalter heraufgesetzt, nichtstaatliche Verfolgung berücksichtigt – dennoch halten sich die Grünen mit Jubel zurück, bis sie das Kleingedruckte kennen

von JEANNETTE GODDAR

So viel Strahlen war lange nicht mehr: Als die Grünen-Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller und Innenminister Otto Schily am Wochenende nach einem 30-tägigen Verhandlungsmarathon nicht nur in Sachen innere Sicherheit, sondern auch beim Zuwanderungsgesetz eine Annäherung vermeldeten, konnte und wollte keiner der beiden die Freude verhehlen. Schily reiste guten Gewissens mit dem Bundeskanzler gen Asien – den Grünen blieb es vorbehalten, gestern vor der Presse ihren Verhandlungserfolg zu präsentieren.

Dabei wiederum mischte sich schon wieder Skepsis in die Freude: Zwar sei in das „Zuwanderungspaket Bewegung“ gekommen, erklärte die Bundesvorsitzende Claudia Roth; letztlich hänge aber alles vom Kleingedruckten ab, das den Fraktionen frühestens gestern Abend vorgelegt werden sollte. Als Erfolg für die Grünen verbuchte Roth die Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen und nichtstaatlichen Verfolgungsgründen sowie das Heraufsetzen des Alters beim Nachzug: Sollten laut Schilys erstem Entwurf Kinder nur bis zum zwölften Lebensjahr nachziehen dürfen, wurde dies jetzt auf 14 heraufgesetzt – vorausgesetzt, das Kind besitzt „ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache“.

Auch im Büro der Ausländerbeauftragten Marieluise Beck ist man nach den Erfahrungen mit Schilys erstem Entwurf, dessen Fußangeln sich erst nach wochenlanger juristischer Prüfung erschlossen, vorsichtig geworden: Bevor man das Gesetz nicht gelesen habe, werde man „auch nicht Hurra rufen“, erklärte Becks Sprecherin Malti Taneja gegenüber der taz. Zweifelsohne handle es sich bei der Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgründe um einen „positiven Schritt“; in anderen Punkten bestehe allerdings noch Klärungsbedarf. Das gelte insbesondere für die Rechte der „ersten Generation“, von der viele nach wie vor wenig Deutsch sprechen und sozial schwach sind. Ihre zukünftige Stellung wird maßgeblich davon abhängen, wie hoch die Hürden für eine „Niederlassungserlaubnis“ gehängt werden, die künftig den am weitesten gehenden Aufenthaltstitel darstellen soll. Nach den bisherigen Informationen soll das Innenministerium aber zugesichert haben, dass Ausländer, die vor dem 1. Januar 2003 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren, auch dann eine Niederlassungserlaubnis erhalten, wenn sie sich nur auf „einfache Art“ in deutscher Sprache verständigen können.

Die Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl wertete die Einführung nichtstaatlicher Verfolgungsgründe gestern als „wichtigen Schritt zu einem völkerrechtskonformen Asylrecht“. Entscheidender aber sei der Umgang mit den 260.000 geduldeten Flüchtlingen: Diese sollen nach bisherigen Informationen künftig doch eine „Bescheinigung“ erhalten. Wenn diese aber, wie geplant, weder eine Arbeitserlaubnis noch das Recht auf volle Sozialleistungen beinhalte, so Günter Burkardt, „ist das immer noch ein eindeutiger Rückschritt“.