Trügerische ländliche Idylle

Verbraucher- und Tierschützer gehen gemeinsam gegen Werbung vor, die Verbrauchern vorgaukelt, dass Produkte aus artgerechter Tierhaltung stammen. Musterklage gegen Handelskonzern Rewe und Eiererzeuger Landkost

von GREGOR THOLL

Es ist nicht immer drin, was draufsteht. Das hat der Verbraucher bei Lebensmitteln inzwischen gelernt. Trotzdem lässt er sich immer wieder täuschen – beispielsweise wenn in Eierverpackungen, auf denen ländliche Idylle abgebildet ist, tatsächlich Billigware aus tierquälerischer Massenaufzucht steckt. Damit soll es bald ein Ende haben. Zusammen mit dem Deutschen Tierschutzbund und der Umweltstiftung Euronatur hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) nun die Firmen Rewe und die Ei-Erzeugergemeinschaft „Landkost“ in einem Musterverfahren verklagt – wegen „irreführender Werbung“.

Grundlage der Klage ist Paragraph 3 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, Verhandlungstermin der 12. Dezember. Begleitet werden soll das Verfahren von einer gemeinsamen Kampagne. Zum Auftakt haben die drei Organisationen eine Internetseite Was-dahinter-steckt.de gestartet. Bei der Diskussion um die Agrarwende hätten Funktionäre und Lobbyisten dem Verbraucher den Schwarzen Peter zugespielt, sagte Edda Müller vom VZBV. Argumentation: Weil dem artgerecht zustande gekommene Tierprodukte zu teuer seien, müsse es die billigen Massentierhaltungsprodukte geben. „Umfragen zeigen jedoch, dass dem Verbraucher Tier- und Umweltschutz zunehmend wichtiger wird und er bereit ist, für entsprechende Produkte durchaus auch mehr zu zahlen.“ Allerdings habe er oft keine Wahl, da viele Firmen „keine ehrlich beschrifteten Verpackungen“ lieferten. Statt dessen suggerierten sie mit Bildern von Hühnern im Stroh oder Aufschriften wie „Putenfleisch direkt vom Wiesenhof“ ländliche Idylle, die mit der Realität wenig zu tun habe. Dass die Konsumenten darauf tatsächlich hereinfielen, zeige ein Test, den der VZBV mít 600 Probanden durchgeführt habe. Als Beispiel für trügerische Darstellungen nannte Müller Markennamen wie Wiesenhof, Heidegold, Landliebe, Alpenhain oder Goldblume.

Die Verbraucher- und Tierschützer fordern deshalb, alle Lebensmittelkennzeichnungen zu durchforsten und für die Formulierungen klare Kriterien festzulegen. Außerdem soll die Arbeit der Lebensmittelbuchkommission reformiert werden. Diese Einrichtung verantwortet unter anderem, dass es in Deutschland Kalbsleberwürste ohne ein einziges Gramm Kalbsleber geben darf. Außerdem soll nach dem Willen der drei Organisationen ein Verbraucher-Informationsgesetz erarbeitet und das Wettbewerbsrecht reformiert werden, sodass es bei irreführender Werbung Anspruch auf individuellen Schadensersatz gibt.

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