Wasser für die Mauerblümchen

Deutsche Hilfe für Afghanistans nördliche Nachbarn wurde nur kurzfristig und halbherzig gewährt. Ein Fehler, der nun im Zeitraffer korrigiert werden soll

von KATHARINA KOUFEN

Die Region um Afghanistan soll stärker unterstützt werden – der Wille ist da. 200 Millionen Mark erhält das deutsche Entwicklungsministerium (BMZ) aus dem Anti-Terror-Topf der Bundesregierung. Um weitere 200 Millionen Mark ist der Haushalt des Ministeriums nach dem 11. September aufgestockt worden. Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul wünscht sich einen „Stabilitätspakt Zentralasien“, ähnlich dem Pakt für den Balkan.

Doch bisher fehlt es an Strukturen, an Expertise, an Lobby. Viele Entwicklungspolitiker, die heute ihren Regierungsposten haben, stammen aus der Dritte-Welt-Bewegung. Sie sympathisierten in ihrer Studentenzeit mit den Befreiungsbewegungen in Lateinamerika, protestierten gegen die Apartheid in Südafrika oder verkauften vor der Mensa Jutesäcke aus Bangladesch. Von Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan wussten bis vor kurzem viele Menschen nicht einmal, dass es diese Länder gibt. „Für die meisten Deutschen ist das immer noch ein Teil der UdSSR“, meint Ernst Hustaedt, der bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) für die „Tan-Staaten“ zuständig ist.

Zusätzliches Pech für die Region am Südrand der ehemaligen Sowjetunion: Mit dem Ende der UdSSR schwand auch das Interesse an Entwicklungspolitik, die während des Kalten Krieges als Schutzfaktor gegen die Macht der Russen galt. Vor allem die deutsche Regierung hatte Anfang der 90er-Jahre, als die Zusammenarbeit mit den Tan-Staaten möglich wurde, mit den Folgen der Wiedervereinigung zu kämpfen und andere Sorgen als das Schicksal dreier zentralasiatischer Länder. Die Region wurde weiterhin vernachlässigt.

Mit Tadschikistan, dem ärmsten Land der Region, betreiben die deutsche Regierung und ihr technischer Arm, die GTZ, mittlerweile überhaupt keine Entwicklungszusammenarbeit mehr. Lediglich die Projekte, die noch unter der Regierung Kohl genehmigt wurden, führt die GTZ zu Ende: Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Trinkwasserversorgung der Hauptstadt Duschanbe. Auch beteiligte sie sich an der Beratung der Justizministerien in den GUS-Staaten in Sachen Wirtschaftsrecht. Nur ein kleines Büro mit einheimischen Fachkräften unterhält die GTZ noch in Duschanbe.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September allerdings scheint die deutsche Regierung diese Vernachlässigung zu bereuen. Hustaedt: „Jetzt wird diskutiert, ob Tadschikistan wieder zum Partnerland werden soll.“ Denn von den drei Staaten gilt vor allem Tadschikistan als anfällig für islamischen Fundamentalismus. Jahrelang haben islamistische Separatisten das Land unsicher gemacht. Unterstützt werden sie von den Taliban. Der jetzige Präsident Rachmonow kann ohne Kompromisse mit den Islamisten nicht herrschen.

Auch in Turkmenistan sind seit dem Regierungswechsel in Deutschland keine neuen Entwicklungsprojekte mehr angelaufen. Dafür gebe es drei Gründe, vermutet Hustaedt: Erstens sei das Land der Konzentration auf nur noch 70 Partnerländer zum Opfer gefallen. Zweitens passe die sehr autoritäre Herrschaft von General Nijasow in Turkmenistan nicht so recht zur deutschen Vorgabe, es werde nur mit „guten“ Regierungen zusammengearbeitet. Und drittens „ist Turkmenistan potenziell reich wegen seiner Erdöl- und Erdgasvorkommen“, so Hustaedt.

Mit Usbekistan ist die deutsche Zusammenarbeit am weitesten gediehen. Immerhin steht es auf der Liste der BMZ-Partnerländer, und die GTZ hat drei Fachkräfte dorthin geschickt. Sie kümmern sich dort vor allem um ein Projekt, das Bodenerosion und Versalzung rund um den Aralsee verhindern soll, etwa durch die Zucht und Aussaat salzresistenter Pflanzen. Geld aus Berlin gibt es auch für den Ausbau des Telefonnetzes – allerdings in Form von Krediten: 20 Millionen Mark hat die Bundesregierung an finanzieller Hilfe zugesagt. In die technische Zusammenarbeit (TZ) fließen dieses Jahr fünf Millionen Mark – als Zuschuss. Nicht besonders viel. Zum Vergleich: Ein „Schwerpunktpartnerland“ wie Bolivien erhält 35 Millionen.

Von der Hauptstadt Taschkent aus betreiben auch die politischen Stiftungen ihre Arbeit in der Region. Allerdings hat nur die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung ein eigenes Büro für politische Bildung. Und: „Wir veranstalten Jugendseminare zum Verhältnis zwischen Religion und Politik“, berichtet Büroleiter Wolfgang Schreiber – was vor allem deutsche Politiker interessieren dürfte. Denn Usbekistan, dessen Bevölkerung traditionell einer toleranten Strömung des Islam angehörte, ist immer mehr unter den Einfluss saudischer und iranischer Extremisten geraten. Noch habe er aber keinen Scheck aus Berlin erhalten, bedauert Schreiber: „Ideen hätte ich genug.“

Auch für die deutsche Wirtschaft ist das zentrale Usbekistan interessanter als die anderen Länder der Region. Rund 150 deutsche Unternehmen hätten sich dort niedergelassen, berichtet Anton Vogt, Geschäftsführer des Länderkreises Zentralasiens der deutschen Wirtschaft. Firmen wie Bayer, DaimlerChrysler oder ThyssenKrupp investieren dort oder treiben Handel. In Turkmenistan sind es etwa 50, in Tadschikistan 20. Allerdings hat die Region auch hier noch nachzuholen. Vogt: „Natürlich haben diese Kontakte noch nicht die Tiefe, wie sie mit Indien oder Pakistan bestehen, wo sie seit Jahrzehnten gewachsen sind.“