Die Farben des Geldes

Das letzte Argument für eine Ampel sind die Milliarden, die das Land Berlin braucht. Und für einen Senat mit PDS-Beteiligung will der Bund nicht zahlen

aus Berlin ROBIN ALEXANDER

Auf dem Flug DI 7073 von Berlin nach Köln/Bonn bereitet sich Klaus Wowereit am frühen Dienstagybend auf einen angenehmen Termin vor. Im Sprungbrett-Theater, mitten in der Domstadt, erwartet ihn Alfred Biolek. Der Sanfte unter den Talkern hat den Regierenden Bürgermeister von Berlin in seine Sendung eingeladen. Thema: „Unbeirrbare Menschen“. Vielleicht wird Biolek fragen: Herr Wowereit, was hat Sie bewogen, sich am Montag für Verhandlungen über eine Ampelkoalition zu entscheiden? Warum weisen Sie jetzt die PDS zurück, obwohl Sie sich noch im Juni von den SED-Nachfolgern zum Bürgermeister wählen ließen?

Wowereit hätte jede Menge zu berichten gehabt. Einen letzten Versuchsballon in Sachen Rot-Rot ließen Wowereits Leute noch am Wochenende steigen. Sie lancierten eine Spiegel-Geschichte mit dem Tenor, der Bundeskanzler sei nicht länger kategorisch gegen eine rot-rote Koalition. Verzichte die PDS nur auf Einfluss auf die Berliner Bundesratsstimmen, sei das Linksbündnis doch noch möglich. Am Montag kamen Gysi und Genossen im Tête-à-Tête Wowereit und den Seinen weit entgegen. Auch der so genannte „Bundesratsvorbehalt“ wurde thematisiert, berichten Gesprächsteilnehmer. Genutzt hat es nichts mehr. Auch der Kanzler liest Nachrichtenmagazine und erneuerte sein Veto: Diesmal hieß es zu rot-roten Verhandlungen nicht „nein“, sondern „non“. Im Interview mit Le Monde erneuerte Schröder seine Position: Keine PDS-Senatoren in der deutschen Hauptstadt. Nicht, weil man den Sozialisten ihre totalitäre Vergangenheit noch übel nähme. Nein, der Anlass liegt im Jahr 2001. Die Ablehnung des US-amerikanischen Bombenkrieges gegen Afghanistan stellt die PDS in Berlin ins landespolitische Abseits. Wowereit formulierte kompliziert, aber ehrlich: „Die Entscheidung hatte eine bundespolitische Komponente – bezüglich der Haltung der PDS in der Frage Solidarität mit Amerika.“

Nach bekräftigtem Kanzlerveto gegen die PDS konnten Ampelverhandlungen nur noch an den Ampelpartnern selbst scheitern. Aber die liberalen und grünen Landesführer – sonst einander in leidenschaftlicher Abneigung verbunden – überboten sich am Montag im letzten Sondierungsgespräch geradezu im Nachgeben. Dem „Alles ist verhandelbar“ des Günter Rexrodt (FDP) antworteten plötzlich auch die grünen Unterhändler: „Keine unüberbrückbaren Gegensätze“. Dass beide kleinen Parteien ihre Gegensätze etwa in der Verkehrs- und Bildungspolitik derart leugnen, überraschte die moderierenden Sozialdemokraten. „Wie sollen wir denn begründen, mit solch willigen Partnern nicht in Koalitionsverhandlungen zu gehen?“, fragte Peter Strieder, SPD-Landeschef rhetorisch.

Wowereit war längst überzeugt: Rot-Rot ist diesmal nicht drin. Nicht die neue gelb-grüne Flexibilität und auch nicht der Respekt vor dem Kanzlerwillen überzeugten ihn. Das letzte Argument für eine Ampel besteht nicht aus Worten, sondern aus Zahlen, aus neun Nullen, um genau zu sein: Milliarden braucht das ruinierte Land Berlin. Milliarden vom Bund und Milliarden von den anderen Bundesländern. Man wolle nicht für einen Senat mit der PDS zahlen, ließen nicht nur der Kanzler, sondern auch sozialdemokratische Landesfürsten aus dem Westen übermitteln. Klaus-Uwe Benneter, SPD-Abgeordneter in Berlin und Vertrauter des Kanzlers aus Juso-Zeiten, beschrieb das gestern im Radio so: „. . . zumal wir ja wissen, dass uns so viel Milliarden jährlich fehlen, wir auf die Hilfe des Bundes angewiesen sind. Und wenn uns von Bundesebene dann so deutlich signalisiert wird, dass man die PDS, was deren bundespolitische Ausrichtung zur Zeit angeht, für einen unsicheren Kantonisten hält, dann war die Entscheidung eigentlich vorgegeben.“

Diese „vorgegebene“ Entscheidung beklagen auch PDS-skeptische Sozialdemokraten aus Ostberlin. Geld gibt es nur ohne PDS – diese Begründung müsse Trotzreaktionen auslösen. Eines von acht Vorstandsmitgliedern, die gegen die Ampelverhandlungen gestimmt haben, erklärte vor der Abstimmung pro Ampel-Verhandlungen mit bewegter Stimme: „Woher soll danach noch die Kraft kommen, im Osten politisch zu arbeiten?“

Im Rheinland, über 500 Kilometer von Ostberlin entfernt, bei der Aufzeichnung von Bioleks „Unbeirrbaren Menschen“, muss sich Wowereit keine bohrenden Fragen gefallen lassen. Kann man die PDS tatsächlich weiter von der Regierung fern halten? Klaus Wowereit hätte vielleicht lächelnd geantwortet: „Koalitionsverhandlungen sind ja noch keine Koalition.“