Hartnäckige Missionsarbeit

■ Zweimal Alternative-Schmeichelpop: Madrugada schwelgen in der Markthalle, Elbow tun Ähnliches im Logo

Sind die Bewohner nordischer Gefilde bessere Songwriter? Oder schlechtes Wetter und Dunkelheit die Basis bezaubernd sentimentalen Pops? Madrugada aus dem Norden Norwegens jedenfalls haben zwei schöne Alben voller ruhiger Moll-Melodien veröffentlicht. Mit einem Händchen für unprätentiöse Songs und Sänger Sivert Høyem, einem fesselnden Geschichtenerzähler aus durchwachten Nächten.

1997 machten vier junge Burschen Madrugada, das spanische Wort für die Zeit vor dem Sonnenaufgang, die letzte Stunde der Nacht, zum Bandnamen, nachdem sie bereits vier Jahre zusammengespielt hatten. Von Oslo aus wurde ihr Debüt ein landesweiter Erfolg. Zögerlich reagierte Rest-Europa: In England wurden sie bestens besprochen, aber nicht gekauft. In Mailand musste ein Gig abgesagt werden, weil die Zuschauer fehlten. Doch zeigte die Missionarsarbeit auch Erfolge, Berlin etwa scheint eine Art Fanbastion zu werden, und auch in Frankreich erwärmt man sich zunehmend für die ansteckenden Melancholiker, die so gar nichts gemein haben mit den düster geschminkten Vertretern der Zunft. Die immer wieder verglichen werden: mit den Doors oder dem Gesang von Jeff Buckley oder Leonard Cohen.

Auch aus dem Norden, dem Englands nämlich, stammen Elbow – aus Bury bei Manchester, um genau zu sein. Trostlos soll es dort ausschauen. Ein Pflicht-Szenario für Post-Britpopper. Mit seinem Heimatdorf hat es sich Elbow-Sänger Guy Garvey dann auch gleich verscherzt. In einem New Musical Express-Interview beschimpfte er das Nest als „shit town“. Die Stadtoberen verfolgten das Treiben ihrer Neu-Helden recht genau. Und waren not amused. Ihre Musik sei aber auch eine ernste Angelegenheit, so Garvey.

Benannt nach der Krankenschwester aus der TV-Serie The Singing Detective, hatten Elbow anfangs wenig Glück. Ein erstes Major-Label feuerte sie, nachdem sie sich bei den Aufnahmen im ländlichen Frankreich zerstritten hatten. Ein weiteres biss an und spuckte sie Wochen später wieder aus. So musste ein Indie das next big thing von der Insel erkennen. Die Ignoranten werden sich ärgern.

Denn auch wenn den Gitarrenpoppern Elbow vielleicht nicht ganz das kompositorische Händchen von Pulp oder Radiohead gegeben ist, kommen solche Vergleiche doch hin: schwebende Pia-noschleifen, der fast leiernde Gesang Garveys, der sich als gefallener Engel gefällt. Unerfüllte Lieben, Teenagerängste. Gemeinsam mit I Am Kloot (sie sind als „Vorgruppe“ dabei) zerren sie den Zombie Britpop momentan in eine ruhige, gleichsam rauere Ecke. Smart groovende Ungemütlichkeiten, nicht wirklich verstörend und doch abseits der vielleicht gar zu harmoniesüchtigen Travis-Coldplay-Posse. Volker Peschel

Madrugada : Freitag, 18 Uhr, Michelle Records + 20 Uhr, Markthalle; Elbow : Sonntag, 21 Uhr, Logo