gammler im park von FRANK SCHÄFER:
Einen sonnigen Tag auf der Parkbank zu verbringen, mit einem Buch, meinethalben sogar mit einem guten, zum Beispiel mit einer Auswahlausgabe von Ambrose Bierce, einen Marienkäfer dabei zu beobachten, wie er eine Blattlaus aussaugt, spielenden Kindern mit Verve und gespielter Wut den Ball wegzuschwarken, damit sie sich von nun an auf Distanz halten – kann es etwas Schöneres geben?
Das Idyll trügt, wie immer, denn selbstverständlich kommt man hier nie zur Ruhe und schon gar nicht zum Lesen. Weil eine sich besonders gewitzt vorkommende Wespe den winzigen Marmeladenrest im Mundwinkel für sich beansprucht. Weil einem Rottweiler mein rotes T-Shirt nicht passt und dessen Brutalinski-Knurren dem spindeldürren Frauchen an seiner Seite noch mehr Angst einzujagen scheint als mir, was andererseits gar nicht sein kann. Und weil ständig Rentnerehepaare vorbeiflanieren, deren mitleidige Blicke nur eins sagen wollen: „Nein, nein, was ist das nur für eine Welt, so jung und schon keine Ahnung, wie es weitergeht!“ Gut, es gibt auch noch die anderen, für die der Fall längst klar ist und deren wütende Augenblitze man wohl mit „Na, macht Spaß auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung in den Tag zu leben, was?“ übersetzen muss. Und die dann in sicherer Entfernung ein verächtliches „Gammler“ hochwürgen.
Nein, Spaß macht das nicht. Aber was soll man tun, wenn man jung ist, keine Ahnung hat, wie es weitergeht, und diese vermaledeite kleine, faule Geschichte ja auch erarbeitet sein will. Da kommt einem der rüstige ältere Herr ganz recht, der trotz der Hitze einen Anzug nebst Krawatte trägt und recht flink einherschreitet, dann aber für einen Moment stutzt, fast strauchelt, stehen bleibt, um nach einer kleinen Weile seinen Hut zurechtzurücken und schließlich noch ein Ideechen feierlicher weiterzuziehen. Er würdigt mich nicht eines Blickes, was ihn mir gleich sympathisch macht und mich aussöhnt mit den Dreißiger-Jahrgängen. Ich hätte ihn wohl dennoch bald vergessen, wenn er nicht nach einer guten Viertelstunde erneut aufgetaucht wäre, wieder in die entgegensetzte Richtung blickend, suchend beinahe. Nach weiteren 17 Minuten, ich stoppe mittlerweile seine Zeit, kreuzt er abermals meinen Blick. Der Mann geht im Kreis, so viel immerhin weiß ich. Auf eine schnelle 16-Minuten-Runde folgt eine langsamere, die sich hart der Zwanzigermarke nähert, aber ich widerstehe der Versuchung, ihn anzufeuern.
Nach weiteren zwei Durchläufen wird mir der Altherren-Marathon dann aber doch zu langweilig. Bevor er mich erneut passiert, will ich weg sein, erhebe mich deshalb – und da sehe ich es, hinter einem Busch, in einiger Entfernung. Das nackte Z. Es liegt da im Gras, nur nicht so spitz, sondern an den Ecken abgerundet, wie man es schöner nicht malen kann. Sie liest ein Buch. Bevor es allzu auffällig wird, gehe ich los und sehe auf die Uhr, eine gute Stunde Zeit habe ich noch, bis „Raumschiff Enterprise“ anfängt. Das sind locker drei Runden, wenn ich mich beeile, eventuell sogar vier.
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