Ein Opfer der Schwarzweißmalerei

Cynthia McKinney, US-Kongressabgeordnete: links, schwarz, gegen den Krieg und deswegen politisch unten durch

WASHINGTON taz ■ Sie hat einen Brief geschrieben. Spätestens jetzt kennt auch das weiße Amerika die schwarze Kongressabgeordente Cynthia McKinney. Der Brief könnte der Anfang vom Ende ihrer Karriere sein.

„Sie kann mal meinen Allerwertesten küssen“, wütete ein Abgeordneter im Radio und fügte hinzu: „In Amerika hast du ein Recht auf Irrtum und darauf, ein Idiot zu sein. Sie nimmt ihre Rechte wahr.“ Ein Autor in einem einflussreichen jüdischen Magazin wurde noch deutlicher. „Sie realisiert nicht, dass sie das Land beschmutzt, das ihr erst die Freiheit gibt, es zu beschmutzen.“ Er forderte sie auf, ihre Aussagen zu widerrufen, besser noch zurückzutreten.

Der Grund für diese schroffe Ablehnung: McKinney hatte sich in besagtem Brief beim saudischen Prinzen Alwaleed Bin Talal für New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani entschuldigt. Dieser hatte eine 10-Millionen-Dollar-Spende des Prinzen für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September zurückgewiesen, nachdem der Prinz gesagt hatte, die USA würden möglicherweise durch ihre Nahostpolitik solche Anschläge provozieren.

Darüber hinaus kritisierte McKinney die US-Außenpolitik, beklagte die Armut der schwarzen Bevölkerungsminderheit in den USA und bat schließlich den Saudi, seine Millionen zu stiften, um die Not der Afroamerikaner zu lindern.

Spätestens hier ging so manchem Amerikaner die Sicherung durch. Nicht genug, dass amerikanische Juden, die Giulianis Rückzieher begrüßten, McKinneys Anbiederung als widerwärtig empfinden.

Der gesamten weißen Elite verschlägt es die Sprache: Ausgerechnet ein Saudi soll heimische Missstände beheben? In Zeiten nationaler Eintracht wagt es jemand, in die patriotische Suppe zu spucken und der Welt vom Elend der Schwarzen in den USA zu künden?

Die 46-jährige McKinney hatte sich auch früher schon nicht besonders beliebt gemacht. Seit sie 1992 in den Kongress gewählt wurde, versteht sich die erste schwarze Abgeordnete aus Georgia als Anwältin der Menschenrechte. Schon unter Bill Clinton war sie eine führende Kritikerin der US-Afrikapolitik.

Als Mitglied im Ausschuss für Internationale Beziehungen mahnte sie kurz nach dem 11. September, dass nicht Rache, sondern Gerechtigkeit der Maßstab der Antwort auf den Terror sein müsse. Auch davor hatte sie die fortlaufenden amerikanisch-britischen Luftangriffe auf Irak kritisiert. Die Irakpolitik Washingtons und überhaupt große Teile der Außenpolitik der USA betrachtet sie als gescheitert.

Zugegeben, die Briefaktion an den saudischen Ölmillionär war ungeschickt. Eine Amerikanerin bettelt in diesen Zeiten nicht bei Saudis um Geld. McKinney offenbart in ihrem Brief jedoch ein anderes Verständnis von Patriotismus. Es ist ein Patriotismus, der weniger mit bedingungsloser Vaterlandsliebe zu tun hat. Er speist sich vielmehr aus der jahrzehntelangen Diskriminierung der Schwarzen, die sie in ihrem Wahlbezirk nahe der Millionenstadt Atlanta – einer der ethnisch am stärksten gemischten Bezirke der USA – miterlebt hat.

McKinney empfindet Opposition nicht als unpatriotisch. Doch im Moment ist sie allein. Keiner stärkt ihr den Rücken. Demokratische Parteifreunde schweigen. Wie Bush schon sagte: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ MICHAEL STRECK