: „Das Interesse schrumpft“
Umweltberater sind nicht mehr gefragt. Der Arbeitsmarkt für einen vorsorgenden Umweltschutz ist dicht, die Ausbildungen zum Umweltberater sind gestrichen. Betriebe setzen andere Prioritäten
Vor zehn Jahren noch gab es rund 250 Angebote, sich zu einem damals viel versprechenden Beruf weiterzubilden: zum Umweltberater. Doch nun stehen die Biologen, Chemiker und Sozialwissenschaftler, die nach 1995 auf diese Karte gesetzt haben, häufig dort, wo sie vorher auch standen: auf der Straße. „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine einzige Stelle für Umweltberater entdecke“, sagt Norbert Steinhaus vom Wissenschaftsladen Bonn. Der Verein durchforstet jede Woche über 50 Tageszeitungen und rund 30 Fachzeitschriften nach Arbeitsplätzen im Umweltbereich und trägt diese für Jobsuchende zusammen. „Die Stellen für Umweltberater sind besetzt, es kommen keine neuen hinzu.“
Als das Berufsbild des Umweltberaters vor rund 15 Jahren entstand, hatten saurer Regen und Atomkraft die Umweltdebatte in Deutschland angeheizt. Kommunen, Betriebe und Verbraucher waren alarmiert und bereit, Geld für eine bessere Umwelt auszugeben. In ein- bis zweijährigen Kursen lernten zumeist Natur- und Sozialwissenschaftler alles über Abfall, Umweltrecht, Moderation und Mediation, um in Betrieben, Behörden, Kirchen, Vereinen und Verbänden ökologisches Bewusstsein zu fördern und Verhalten zu ändern. Die Idee war ein vorsorgender Umweltschutz, weitere Schäden an Natur und Umwelt sollten so möglichst vermieden werden.
„Zwischen 1985 und 1995 sind die Stellen für Umweltberater von null auf 6.000 gewachsen. Das war eine positive gesellschaftliche Bewegung“, erinnert sich Gerd Adelmann, Leiter des Bundesverbandes für Umweltberatung. „Doch seitdem haben sich die gesellschaftlichen Prioritäten geändert. Es wird weniger vorausgedacht.“ Ende der 80er, Anfang der 90er sei die Abfallvermeidung ein Schwerpunkt der Umweltberatung gewesen. Heute gehe es Entsorgungsberatern darum, Aufträge für ihre Kommune oder ihr Unternehmen zu akquirieren.
Zudem ist Umweltschutz nicht mehr das politische Thema Nummer eins, Städte und Gemeinden müssen sparen. Sie streichen viele freiwilligen Maßnahmen, so auch die Umweltberatung. Hinzu kommt, dass gerade in den neuen Bundesländern viele Posten im Umweltbereich als ABM-Stellen ausgeschrieben waren – was nur für einige Jahre möglich ist.
Immerhin kommen Jobsuchende nicht mehr in die Versuchung, sich in das berufliche Nichts weiterzubilden: Schulungen zum Umweltberater gibt es nicht mehr. Denn als die Bundesanstalt für Arbeit erkannte, dass die Absolventen der Kurse nicht mehr zu vermitteln waren, stellte sie ihre finanzielle Unterstützung ein. Kaum noch jemand besuchte die Kurse, die Träger mussten ihre Programme beenden. „Der Markt Mitte der 90er-Jahre war katastrophal“, sind die Erfahrungen von Gerd Adelmann. „Es gab bis zu 600 Bewerber auf eine Stelle.“ Heute können sich nur noch Berater, die bereits im Job sind, fortbilden, etwa im europäischen Umweltschutz oder im Umweltmarketing.
Die Hamburgerin Sybille Ahrens war noch schnell genug: Die gelernte Krankenschwester hat von 1991 bis 1993 in einem Fernstudium bei der Akademie für Umwelt, Gesundheit und Ernährung Kurse zur allgemeinen und kommunalen Umweltberatung belegt und sich damals für den Schwerpunkt Baubiologie entschieden. Zusätzlich hat sie Seminare und Tagungen zu Toxikologie und Umweltmedizin besucht. Seit sechs Jahren ist Sybille Ahrens nun selbstständig. Sie berät bei Bauvorhaben, misst die Schadstoffbelastungen bereits erbauter Wohnungen und Büros, schreibt Gutachten und betreut ihre Kunden bei den daraus resultierenden Schritten. „Meine medizinische Vorbildung kann ich in diesem Beruf ideal einbringen. Doch der Start in die Selbstständigkeit war schwer“, sagt die 50-Jährige. So ist sie auch die Einzige von ihren damaligen Studienkollegen, die noch ein eigenes Büro hat. „Einige haben es ebenfalls versucht, mussten jedoch wieder aufgeben. Andere sind im Öko-Audit und Umweltmanagement beschäftigt.“ Die meisten seien jedoch in ganz anderen Sparten tätig. Auch sie hat beobachtet, dass vor allem die gestrichenen Stellen bei Unternehmen und Kommunen ihren Berufsstand gefährden. „Viele Umweltauflagen sind mittlerweile erfüllt. Das Interesse am Thema schrumpft.“
Insgesamt jedoch sind die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt Umweltschutz gar nicht schlecht. „Gut vier Prozent aller ausgeschriebenen Stellen betreffen den Bereich Umweltschutz“, bilanziert Norbert Steinhaus die Auswertungen vom Wissenschaftsladen Bonn. Und auch das Umweltbundesamt hat positive Zahlen vorgelegt: 1998 hingen mindestens 1,3 Millionen Arbeitsplätze vom Umweltschutz ab – damit waren dort mehr Menschen beschäftigt als im Maschinenbau-, Fahrzeugbau- oder Ernährungssektor. Den größten Anteil haben umweltrelevante Dienstleistungen etwa im Baubereich, in der Wasserversorgung, der Land- und Forstwirtschaft oder der Entsorgung. Als ebenfalls aussichtsreich schätzen Adelmann wie Steinhaus den Energiesektor ein.
Ausgedient hat der Öko-Arbeitsmarkt also noch nicht. „Auch außerhalb vom klassischen Berufsbild des Umweltberaters gibt es viele Tätigkeitsfelder im Umweltbereich, die beratend und kommunikativ sind“, meint Norbert Steinhaus. Und so empfiehlt er jedem, der Umweltschutz zu seinem Beruf machen will, zunächst einen anderen Schwerpunkt zu suchen und sich dann Zusatzwissen zu erwerben. Schließlich seien auch Informatiker, Wirtschaftler und Juristen im Umweltbereich gefragt.
KATRIN EVERS
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