Unter Lebensgefahr die Wahrheit suchen

Celvin Galindo brachte die Mörder des guatemaltekischen Weihbischofs Gerardi vor Gericht – und floh ins Exil

SAN SALVADOR taz ■ Es war ein Zufall, der Celvin Galindo bekannt machte. Als Otto Ardón Ende 1998 als Staatsanwalt im Verfahren zur Aufklärung des Mordes an dem guatemaltekischen Weihbischof Juan Gerardi zurücktrat, stand der damals 40-jährige Galindo als nächster auf der Liste der einzuteilenden Staatsanwälte. Von Ardón wusste man, dass er ein furchtbarer Jurist war. Er hatte einen Alkoholiker als Verdächtigen festnehmen lassen, einen Drogendealer, selbst einen Schäferhund. Von einem politischen Mord wollte er nie reden. Dabei war das sonnenklar: Zwei Tage bevor Bischof Gerardi am 26. April 1998 in der Garage seines Pfarrhauses in Guatemala-Stadt erschlagen worden war, hatte er in einer umfassenden Dokumentation 80 Prozent der im Bürgerkrieg (1960 bis 1996) begangenen Verbrechen der Armee angelastet.

Galindo hatte damals noch nie einen Aufsehen erregenden Prozess geführt. Seine Studienkolleginnen erinnerten sich schwärmend an ihn: An diesen ruhigen Typ, der mit knapp 1,80 Meter für einen Guatemalteken erstaunlich groß ist und der einen durchtrainierten Körper hat, weil er ein begeisterter Fußballspieler ist. „Er war schon immer sehr diszipliniert“, beschreibt ihn eine Freundin. „Im Sport wie bei der Arbeit. Er ist gelassen, überhaupt nicht aggressiv, aber sehr zäh.“ Genauso ist er im Fall Gerardi vorgegangen.

Galindo war der erste Prozessbeteiligte, der von einem politischen Mord sprach und in den Reihen der Präsidentengarde recherchierte. Zusammen mit dem Untersuchungsrichter Henry Monroy bildete er ein Gespann, das die Guatemalteken erstaunte: Menschen, die vierzig Jahre unantastbar waren, kamen plötzlich hinter Gitter. Galindo ließ die drei Militärs und den Priester verhaften, die Anfang dieses Jahres zu 20 und 30 Jahren Haft verurteilt wurden. Es muss ihm eine besondere Genugtuung gewesen sein, dass das Gericht weitere Ermittlungen in der Präsidentengarde anordnete, weil dort die Anstifter des Mordes zu vermuten seien.

Galindo erfuhr das Urteil im Exil. Kaum war er zwei Monate mit dem Fall betraut, begannen die Todesdrohungen. In Briefen und anonymen Anrufen. Er wurde auf der Straße von Autos mit abgedunkelten Scheiben verfolgt. Monroy, der ähnliche Drohungen gewärtigte, gab bereits Ende März 1999 auf und ging ins Exil. Galindo hielt ein ganzes Jahr durch, bevor er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern zuerst in die USA, dann nach Deutschland und nach einem längeren Aufenthalt weiter nach Spanien floh. Die meisten Guatemalteken glauben, er sei weiterhin in den USA. Menschenrechtsgruppen vermuten ihn in Deutschland. Nahe Freunde verraten nichts. Wer vor guatemaltekischen Todesschwadronen auf der Flucht ist, muss noch immer seine Spur verwischen.

Nicht nur Galindo und Monroy sind geflohen. Auch zwei Zeugen gingen schon während der Ermittlungen ins Exil. Genauso der engste Mitarbeiter des ermordeten Weihbischofs. Nach dem Urteil verließen zwei der drei beteiligten Richter Guatemala. Sechs Zeugen wurden mit Methylalkohol vergiftet. Wenn Galindo nun den Menschenrechtspreis des Deutschen Richterbundes erhält, wird damit nicht nur seine Person geehrt, sondern all diejenigen, die inmitten eines korrupten Staats unter Lebensgefahr nach der Wahrheit suchen. TONI KEPPELER