Gunda Niemann hat‘ ne Idee

Bei den deutschen Eisschnellaufmeisterschaften werden alte Probleme neu diskutiert: Die Finanziers steigen aus, die Zuschauer bleiben weg – und die Ostdeutschen reiben sich an Anna Friesinger (Inzell)

aus Berlin MARKUS VÖLKER

Gunda Niemann hatte eine Idee. Alles kribbelbunt in der Halle anmalen, damit das Grau übertüncht wird. Steffen Dienewald hatte auch eine Idee. Alle kostenlos reinlassen, damit keiner zweimal überlegen muss. Und Sabine Völker hatte noch eine: Rekorde purzeln lassen.

Die Eishalle des Sportkomplexes Hohenschönhausen aber blieb am Sonntag leer. Da konnte es Niemann noch so gut meinen mit ihren Vorschlägen zur Raumgestaltung, der Hallenmeister den Zuschauern das Superduperangebot unterbreiten und die Erfurter Läuferin ihre Muskeln bis an die Schmerzgrenze übersäuern. Die Rennen fanden unter Einschluss des engsten Familienkreises der Aktiven, aber unter Auschluss der Berliner Öffentlichkeit statt.

Zuvor wurde noch kräftig investiert: 3,6 Millionen Mark, in die Sanierung der Kühlanlage. Für die im Olympiastadion abgeschraubten Sitzschalen fand man auch Verwendung. Einige davon wurden in der Eishalle wieder installiert, ein gelungenes Beispiel westostdeutschen Hardwaretransfers. So ganz ist dieses Thema im deutschen Eisschnelllauf nicht erledigt, wenngleich Berliner Athletinnen wie Sprintweltmeisterin Monique Garbrecht oder Allrounderin Claudia Pechstein ebenso gekonnt wie systematisch abwiegeln.

Doch neulich brach es aus ihnen heraus. Sie seien Kinder des DDR-Systems, sagten sie offenherzig. Die Sozialisation im Plattenbau habe ihnen einen nicht wettzumachenden Vermarktungsnachteil beschert. Außerdem: Sie betrieben Randsport. In Interviews hätten sie eher nicht von atemberaubenden Fallschirmsprüngen, netten Parties und alpenländischen Hügeln zu berichten wie die eislaufende Bayerin Anna Friesinger, sondern erstens davon, so Garbrecht, „dass ich einen neuen Schlittschuh habe“, zweitens, „dass ich in Frankreich im Trainingslager war“, und schließlich drittens, „dass es auf dem Eis ganz gut läuft bei mir“. Niemann fand die Darstellung in der Zeitung „sehr, sehr negativ“ und fragte, warum man „so etwas“ veröffentlichen müsse, wenn sich die Sponsoren eh schon nicht meldeten.

Während Friesinger (Deutscher Herold) und selbst die ob einer Schwangerschaft pausierende Niemann (Thüringer Energieunternehmen) gut versorgt sind, plagt sich sogar die Deutsche Eislauf-Gemeinschaft (DESG) mit Geldproblemen, die Sportdirektor Günther Schumacher zu der Aussage verleitete, die DESG-Läufer starteten „nackt“ in die neue Saison, das heißt: die vom Verband beanspruchten Werbeflächen auf den Laufanzügen bleiben frei. In der Vorsaison opferte sich noch ein ostalgischer Softdrinkhersteller, Vitacola, doch heuer musste Schumacher schon zweimal überlegen, wen er ins Trainingslager einlädt. Angeblich stieg ein Finanzier wegen Niemanns Schwangerschaft kurzfristig aus.

Die deutsche Einzelstrecken-Meisterschaft brachte die Festschreibung eines alten Zustandes. Die Frauen sind sehr gut. Die Männer mittelmäßig (siehe Kasten). Am kommenden Wochenende findet der Weltcup über die Mitteldistanz (1.500 und 3.000 Meter) in Berlin statt. Monique Garbrecht hat zur Belebung der Stimmung unter den Zuschauer auch noch eine Idee: Sie plädiert für die Verteilung von Rasseln.