„Das Asylrecht wird de facto ausgeweitet“

CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach lehnt den Schily-Entwurf ab und hält eine Einigung im Bundesrat für „so gut wie ausgeschlossen“

taz: Herr Bosbach, der CSU-Innenminister Beckstein hat angekündigt, man werde die Zuwanderung zum Wahlkampfthema machen. Wird die CDU ihrer Schwesterpartei da folgen?

Wolfgang Bosbach: Das Thema Zuwanderung und Integration wird ein Wahlkampfthema werden – meiner Einschätzung nach aber nicht das beherrschende. Äußere und innere Sicherheit, Arbeitsmarktpolitik werden sicher eine größere Rolle spielen.

Müssen wir einen polemischen Wahlkampf befürchten?

In den vergangenen zwei Jahren haben wir über Zuwanderung und Integration sehr, sehr ausführlich und sachlich miteinander diskutiert. Ich kenne keinen Grund, jetzt die sachliche Ebene zu verlassen.

Also keine Zuspitzungen auf Kosten der Minderheiten?

Das Thema ist wichtig, aber auch sensibel. Deshalb ist die Frage nicht, ob man darüber spricht – sondern wie.

Warum lehnen Sie den Entwurf immer noch ab?

Es kann überhaupt keinen Zweifel geben, dass es bei einer Realisierung dieses Gesetzes zu einer erheblichen Ausweitung der Zuwanderung kommt – und zwar sowohl im humanitären Bereich als auch auf dem Feld des Arbeitsmarkts. Die Begrenzung der Zuwanderung wird im neuen Gesetz größtenteils aufgegeben – zum einen durch neue Bleiberechte, zum anderen durch die Schaffung neuer Zuwanderungstatbestände.

Das klingt, als wollten Sie von der Zuwanderung am liebsten Abstand nehmen.

Darum geht es nicht. Aber die jüngsten negativen Zahlen auf dem Arbeitsmarkt machen deutlich, dass die Qualifizierung und Vermittlung von hiesigen Arbeitslosen Vorrang haben muss vor weiterer Zuwanderung.

Sie sprechen von neuen Zuwanderungstatbeständen – und meinen damit die nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung. Nun gibt es auch in Ihrer Partei Stimmen, die sich in solchen Fällen für einen verbesserten Abschiebeschutz einsetzen.

Bis vor wenigen Tagen hat Herr Schily noch gesagt, dass es im deutschen Ausländer- und Asylrecht keine Schutzlücken gibt. Wenn das so ist, dann brauchen wir auch keinen verbesserten Abschiebeschutz. Denn dadurch wird de facto eine Ausweitung des Asylrechts geschaffen. Viele werden aus asylfremden Gründen kommen und sich auf geschlechtsspezifische und nichtstaatliche Verfolgung berufen, um ein Bleiberecht in der Bundesrepublik zu erhalten. Das wird den Druck auf unser Land erhöhen.

Sie fürchten also, dass sich demnächst reihenweise Männer melden, die behaupten, in ihren Heimatländern als Homosexuelle verfolgt zu werden?

Durchaus vorstellbar. Schließlich hatten wir bereits das Beispiel eines rümänischen Asylbewerbers, der mit dem Verweis auf seine Homosexualität von einem Gericht als Asylbewerber anerkannt wurde. In der Folgezeit behaupteten viele rumänische Asylbewerber, homosexuell zu sein. Diese erstinstanzliche Entscheidung ist dann von einem Oberverwaltungsgericht aufgehoben worden – mit der Folge, dass es danach keine rumänischen Asylbewerber mehr gab, die vorgaben, aufgrund ihrer Homosexualität verfolgt zu werden.

Sollte es nach dem 11. September eine Zuwanderung möglichst nur noch aus nichtmuslimischen Ländern geben?

Dort, wo wir Steuerungsmöglichkeiten haben – und das ist der Zugang zum Arbeitsmarkt –, sollten wir bei der Auswahl denjenigen Vorrang geben, die aus einem EU-Beitrittsland kommen – sozusagen als Vorgriff auf die EU-Osterweiterung. Aber im Bereich der Aufnahme aus humanitären Gründen und der Familienzusammenführung können wir die Zuwanderung nicht aufgrund der religiöser Zugehörigkeit regeln.

Wie steht es aber mit den islamistischen Extremisten?

Hier sollten wir verbesserte Ausweisungs- und Abschiebemöglichkeiten schaffen und verhindern, dass solche Extremisten überhaupt nach Deutschland einreisen.

Wie geht es nun im Bundesrat weiter?

Eine Zustimmung seitens der unionsgeführten Länder wird es nur geben, wenn man das Gesetz von Grund auf überarbeitet und es an der Beschlusslage der Union orientieren würde. Das ist aber nach der derzeitigen Lage so gut wie ausgeschlossen.Wenn es bei dem jetzigen rot-grünen Entwurf bleibt, fällt er durch.

INTERVIEW: SEVERIN WEILAND