Wenn Otto Schily zweimal klingelt

Die Grünen stellen ihre Vorbehalte gegen das Sicherheitspaket des Innenministers zurück und bekommen dafür ein vorzeigbares Zuwanderungsgesetz

aus Berlin HEIDE OESTREICH

Nicht nur zwei Pakete, sondern einen klassischen Paket-Deal präsentierte Innenminister Otto Schily (SPD) gestern der Presse: Er hat den Grünen ein vorzeigbares Zuwanderungsgesetz beschert, diese haben dafür ihre Vorbehalte beim Sicherheitspaket II zurückgestellt – und vielfach kritisierte Verschärfungen durchgewunken. Beidem stimmten die Grünen in Parteirat und Fraktionsvorstand zu.

In Zukunft werde die Bundesregierung „gestalten“, wie Ausländer in Deutschland leben, so die grüne Fraktionschefin Kerstin Müller. Dabei wird nicht nur ihre Integration gefördert, sondern, dank Sicherheitspaket, auch ihre politische Betätigung umfassend überwacht.

Ein Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird in Zukunft über Wohl oder Wehe einreisewilliger Nicht-EU-Bürger entscheiden. In enger Abstimmung mit den Arbeitsämtern wird das Amt festlegen, wer wohin einreisen darf, Maßstab ist die Arbeitsmarktlage. Nur Hochqualifizierte dürfen gleich mit einem Daueraufenthaltsrecht rechnen. Kinder von hier lebenden Ausländern dürfen bis zum Alter von 14 Jahren nachziehen – wenn sie gute deutsche Sprachkenntnisse nachweisen können, auch bis zum Alter von 18 Jahren.

Auch für Flüchtlinge wird die Lage klarer. Statt der Vielzahl bisheriger Aufenthaltstitel soll es in Zukunft nur noch zwei geben: ein Aufenthaltsrecht und ein Niederlassungsrecht. Ein Aufenthaltsrecht erhalten nicht nur Asylberechtigte, sondern auch die große Gruppe derer, die bisher im Status der Duldung lebten. Das betrifft auch diejenigen, die von nichtstaatlichen Gruppen oder aus geschlechtsspezifischen Gründen verfolgt wurden – etwa Frauen aus Afghanistan.

Hier ist Schily den Grünen weit entgegengekommen. Und dies ist auch der Punkt, an dem die Union eine „Ausweitung von Asylgründen“ wittert. De facto besteht nun zwischen anerkannten Asylsuchenden und bisher nur Geduldeten kein Unterschied mehr. Beide erhalten sofort eine Arbeitserlaubnis, beide können ihr Aufenthaltsrecht „verfestigen“ und nach einigen Jahren ein Niederlassungsrecht beantragen.

Schily verkauft der Union diese Verbesserungen allerdings mit dem Hinweis, dass die bisher Geduldeten nun „nicht mehr in einem Rechtszustand leben, der zu inneren Spannungen führt“. Im Übrigen stehe „nichts im Gesetz, das nicht mit den Vorschlägen der CDU-Zuwanderungskommission vereinbar wäre“.

Das Sicherheitspaket II dagegen bleibt konfliktträchtig, nicht nur was die Ausweitung der Kompetenzen von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt angeht. Auch die vielfach kritisierte Aufnahme verschlüsselter biometrischer Daten in Ausweise und Pässe wird in dem Gesetzentwurf enthalten sein. Dass Schily nur biometrische Daten aus „drei alternativen Körperregionen“ speichern lassen will, darf als Kosmetik gelten.

Weiterhin erhält der Verfassungsschutz die Erlaubnis, Informationen über Bestrebungen zu sammeln, die sich „gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gegen das friedliche zusammenleben der Völker richten“. Mit dieser Begründung dürfen in Zukunft Daten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ebenso eingeholt werden, wie die von Banken und Telefongesellschaften. Außerdem ist auch die umstrittene ausländerrechtliche Regelung enthalten, dass ausgewiesen werden kann, wer „gewaltbereite Aktivitäten“ unterstützt.

Auch Schilys ausgiebiger Hinweis auf das christliche „C“ im Kürzel der Unionsparteien und seine Aufforderung an die Kirchen, auf die Union einzuwirken, dem Zuwanderungsgesetz zuzustimmen, werden wohl nicht helfen: Die CDU-Spitze, so verkündete Generalsekretär Laurenz Meyer gestern, will das Gesetz nicht mittragen.

Damit ist das Schicksal des Gesetzes im Bundesrat ungewiss. Selbst wenn der in Zuwanderungsfragen liberale Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, aus der Parteidisziplin ausscheren und mit der Regierung stimmen würde, müsste sich noch eine der großen Koalitionen in Brandenburg oder Bremen zu einer Zustimmung durchringen, um die nötige Mehrheit im Bundesrat zu sichern.