dieser verdammte krieg (xxvi)
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ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz

Grenzenlose Wahrheit

Doch doch: Der Krieg steuert auf ein Happy End zu. Täglich. Vor dem Hintergrund der Wirren des Afghanistan-Feldzuges mit dem Namen „Stunde der Wahrheit“, „Grenzenlose Gerechtigkeit“ oder „Grenzenlose Turban-Ernte“ entfaltet sich eine bittersüße Romanze zwischen Donald Rumsfeld und der Weltöffentlichkeit.

Er wirbt mit ein paar verliebten Torheiten, so stark und doch so verletzlich, sie „gibt sich hin wie eine gekitzelte Sau“ (Pietro Aretino) und glaubt ihm gern.

Rumsfeld sagt: Nein, es handelt sich um eine Lüge der Taliban, wir hätten ein Krankenhaus zerstört, eine Lüge.

Tags drauf: Naja, bei näherer Betrachtung des Krankenhauses mussten wir feststellen, wir haben es offenbar doch in Schutt und Asche gelegt.

Rumsfeld sagt: Noch nie ist in der Geschichte des Krieges so genau getroffen worden. Z. B. haben wir schon vier von fünf Rot-Kreuz-Depots komplett zerstört.

Rumsfeld sagt, der Einsatz unseres Delta-Force-Kommandos war ein Riesenerfolg.

Der Guardian belegt tags drauf: Der Einsatz war ein desaströser Fehlschlag, die Elitesoldaten gerieten in einen Hinterhalt und wurden verletzt, das Lager des Mullah Omar fanden sie geräumt und von jeder informativen Spur gereinigt vor. Und so weiter.

Komisch, dieser Krieg ist so gerecht, wie man es gar nicht – jedenfalls nicht wahrheitsgemäß – sagen kann, und so verhält sich die Öffentlichkeit wie eine Geliebte, die sich dankbar belügen lässt, solange die Emotionen nur stark klingen. Denn sie versteht: So viel Lüge muss sein, so wahr uns die bedingungslose Solidarität helfe.

MORGEN: Wiglaf Droste