Eingreiftruppe
: Militärmacht Europa

■ Streitgespräch um EU-Armee von Afghanistan-Fragen dominiert

„Am Schluss stehe ich als der Komische da, als Friedensforscher, der eine europäische Armee will“, wunderte sich der Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg. Dieter Lutz war am Mittwochabend zum „europapolitischen Streitgespräch“ in Bremen. Eingeladen hatte die Bremer SPD-Europaabgeordnete Karin Jöns.

Tatsächlich hatten sich die beiden anderen Gäste Jöns', der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Bühler, zugleich Präsident der parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union, und der außenpolitische Sprecher der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), Hannes Swoboda, zuvor gegen eine supranationale europäische Armee ausgesprochen – aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Der SPE-Abgeordnete Swoboda befürchtete nämlich, dass Europa als eigenständige Militärmacht „viele friedenspolitische Möglichkeiten verlieren würde“. CDU-Bühler wollte dagegen nationale militärische Kompetenzen unangetastet lassen. Die EU-Eingreiftruppe, die ab 2003 binnen 60 Tagen 60.000 Soldaten aus nationalen Verbänden mobilisieren können soll, begrüßte der CDU-ler folglich. Er will den heute „sicherheitspolitischen Zwerg Europa“ zum „Riesen“ machen.

Das hatte Friedensforscher Lutz mit seinem Plädoyer für eine europäische Militärstreitmacht nun gerade nicht gemeint. Im Gegensatz zur EU-Eingreiftruppe, die weltweit operieren und auch europäische (Wirtschafts-)Interessen durchsetzen soll, forderte er eine EU-Armee mit auf Europa begrenztem Einsatzgebiet. Sie solle zudem nur präventiv oder als „Beistand“ dienen, im günstigsten Fall unter OSZE- oder UNO-Mandat. Auch will Lutz die Anzahl der Soldaten in Europa drastisch reduzieren. „Man braucht militärische Mittel, aber die Kunst liegt darin, sie nicht einzusetzen.“

SPE-Swoboda stimmte ihm zu: „Wirkliche Sicherheitspolitik“ sei schließlich in erster Linie eine politische Aufgabe: „Da nutzt das ganze Militär nichts.“ Die EU-Erweiterung bezeichnete er als „entscheidende sicherheitspolitische Maßnahme“.

Die über 200 ZuhörerInnen interessierten sich allerdings vor allem für die Meinung der anwesenden „Experten“ zum Krieg in Afghanistan. Bühler verteidigte die Bombenangriffe. Swoboda widersprach vorsichtig: „Die Aufgabe Europas ist es, dort für Stabilität zu sorgen und im Nahen Osten eine Lösung herbeizuführen, und nicht in erster Linie, Truppen zu schicken.“ Lutz wurde da schon deutlicher: Zwar bekenne er sich „zur Verfolgung von Terroristen, notfalls auch mit militärischen Mitteln“, doch dürfe man nicht „um der Menschenrechte willen Menschenrechte vernichten“. Der Krieg in Afghanistan trage alle fehlerhaften Strukturmerkmale der US-Politik. „Die Nord-Allianz ist nichts anderes als die Taliban.“

Als ein Zuhörer ihn aufforderte, „Alternativen“ zum Krieg zu nennen, wehrte Lutz ab. Friedensforscher hätten schon vor Jahren auf die Gefahr von Terror-Anschlägen hingewiesen. Sie seien auf taube Ohren gestoßen. Jetzt sei das Kind in den Brunnen gefallen. „Man kann vielleicht auch gar nichts tun.“ Umso wichtiger sei es nun, einen „Dialog der Kulturen mit 190 Staaten“ in Gang zu bringen und Strukturen zur schnellen Konfliktprävention aufzubauen. „Wir können aus dem Stande heraus Zigtausende von Soldaten losschicken, aber nicht mal 1.000 zivile Beobachter.“

Armin Simon