Liebe Lieder Leiden

Geht eigentlich jeden immer was an: Das Doppelalbum „Liebe & Herzschmerz“ versammelt 40 Lieder zum Thema

Heavy Brüche gehören mit zum Themenkomplex Liebesschmerz und Herzeleid

Evelin Höhne ist keine Unbekannte in der Stadt. Als Popart-Malerin und Trash-Mädchen ist sie vielen von uns schon in Ausstellungen und auf Konzerten begegnet. Und schon oft hat man in die von ihr gemalten großen Mädchen- und Jungsgesichter geschaut und sich gefragt, ob darin nun eine Menge Gebrochenheit und Verweiflung stecken oder einfach nur Leere, gepaart mit ganz viel Freundlichkeit?

Im Moment jedoch hat man den Eindruck, als würde uns ein Bild von Evelin wirklich an jeder Ecke und in jedem Magazin begegnen, ob im U-Bahn-Fernsehen, den Stadtzeitungen, den Musikzeitschriften oder den Hamburger Frauen- und Lifestylemagazinen: ein Mädchen, das seinen linken Arm um einen Jungen legt vor einem hellblauen Hintergrund. Dieses Bild ziert das Cover einer Doppel-CD namens „Liebe und Herzschmerz“, auf der sich fast vierzig Stücke deutscher Popmusiker zu besagter Thematik finden.

Es scheint, als habe da jemand nicht nur die richtige Künstlerin gefunden, um sein Herzensanliegen per Tonträger richtig zu illustrieren, sondern als sei da jemand auch ganz gut und erfolgreich in eigener Sache unterwegs: George Lindt heißt der Mann hinter der „Liebe und Herzschmerz“-Compilation, und Lieblingslied Records bezeichnenderweise sein Kleinstlabel. Auf diesem veröffentlichte er schon vor Jahresfrist ein Doppelalbum, das er „Familienangelegenheiten aus Berlin“ nannte. Es versammelte Songs von allen Bands, die sich gerade einen Rang und einen Namen zu verdienen begannen oder beides schon lange hatten. Ein Who’s who der alten und neuen Berliner Schule gewissermaßen, von Funny van Dannen bis Mina, von Stereo Total bis Komëit, von den Ärzten bis Gonzales.

Fragte man sich seinerzeit, ob denn eine solche ungefragte Zusammenstellung überhaupt Sinn machte, ja, hatte man fast das Gefühl, dass sich da einer geschickt an einen Trend hängte, so ist das dieses Mal etwas anders: „Liebe und Herzschmerz“ leuchtet ein, dieser Aufhänger ist ein immer zeitloser. Dazu lassen sich viele Geschichten erzählen und viele Lieder singen, „das geht ja wohl jeden mal was an“, wie Lindt in seinen Linernotes schreibt. (Außer vielleicht Morrissey. Oder Brett Anderson. Oder Andy Warhol, als er noch lebte.) Sehr angenehm, mal nicht die viel und gern bemühte und immer fester sitzende Klammer „Berlin“ präsentiert zu bekommen, weswegen sich ein früher Bubi Scholz genauso gut oder schlecht macht wie Fünf Sterne Deluxe oder Robert Görl oder Bernd Begemann.

Natürlich kommt einem mancher Wechsel auf der CD schon herbe an, von Keimzeit zu Münchener Freiheit, von Knarf Rellöm zu Rosenstolz, schluckschwerenot: Heavy Brüche gehören eben mit zum Liebesschmerz-Konzept; und natürlich braucht man die Hälfte der Songs nicht wirklich noch einmal auf Tonträger – weil man sie schon hat, weil man sie nicht mehr hören mag, weil man sie nie haben wollte.

Doch so ist das mit Lieblingsliedern von anderen, so ist das mit Mixcassetten, die man geschenkt bekommt. Umgekehrt ist man schließlich selbst immer fest davon überzeugt, dass jeder Song, den man der Liebsten oder dem Liebsten aufnimmt, brennt oder widmet, der beste, schönste, passendste und nachdrücklichste ist. George Lindt ist das auch, für ihn sind „Platten von Lieblingslied Records immer Herzensangelegenheiten“. So pickt man sich als Hörer seine liebsten Lieblingsevergreens heraus und freut sich über die schönen, unbekannten Stücke von unbekannten Bands wie Metrodiv, Basis und Bum Khun Cha Youth. Und so staunt man auch ein wenig über Lindt, dass er so offen mit seinen Herzensangelegenheiten umgeht.

GERRIT BARTELS

Heute Abend ab 21 Uhr, „Liebe & Herzschmerz“-Record-Release-Party mit Knarf Rellöm, Multiboy, Metrodiv und vielen mehr, Maria, Straße der Pariser Kommune 8–11, Friedrichshain