vorlauf
: Marokkanische Leidenschaft

„Der Mann, der kein Freund sein konnte“ (20.45 Uhr, Arte)

Es ist eine dieser typischen existenzialistischen Storys, wie sie der amerikanische Schriftsteller Paul Bowles mit Vorliebe kreierte. Eine jener Geschichten, in der die Brüchigkeit des Seins ebenso zum Tragen kommt wie der Duft von Minze und Haschisch. Es geht um die arabische Welt, die sich unter europäischem Einfluss zu wandeln beginnt. Eine armselige Welt, in der sinnliche Frauen freie Liebe leben wollen. Und in der Männer sturköpfig und unberechenbar sind.

Bowles’ schlichter Fatalismus – der kein Gut und Böse kennt und Menschen keine Veränderung zugesteht – ist Sujet des Films. Kein einfaches Unterfangen für den französischen Regisseur Benoît Graffin. Kann nach Bernardo Bertoluccis opulenter Verfilmung des Bowles-Klassikers „Himmel über der Wüste“ noch Eindrucksvolles folgen?

Graffins Film hat seinen eigenen Charme: ein kleiner, ruhiger Streifen mit bemerkenswert lebendigen Schauspielern. Natürlich spielen der blaue Ozean, die Wasserpfeife, die Weite des Himmels und Sand, so weit das Auge reicht, eine große Rolle in der Geschichte um Driss (Quassini Embarek), einen jungen Marokkaner. Er hat den Glauben an das Gute im Menschen noch nicht verloren und freundet sich mit dem alten Herumtreiber und Hurenbock Fouad (Jacques Nolot) an. Ein Mann, der für seine Boshaftigkeit weithin bekannt ist. Driss will ihn vom Wert der Freundschaft überzeugen. Mit Geschenken und Kiff nähert er sich dem Alten. Er scheut sich sogar nicht, ihm durch Flegeleien und Frevelhaftigkeiten zu imponieren. Von einer Hure aus Tanger lässt er sich für Liebesdienste bezahlen, ausgerechnet als diese glaubt, erstmals einen ehrlichen Mann getroffen zu haben. Die dunklen Seiten der menschlichen Seele sind mit ergreifender Dramaturgie in Szene gesetzt.

Sicherlich hätte dem rastlosen Meister Bowles zudem die Leidenschaftlichkeit gefallen, mit der Leila Belarbi und Dalia Amrani die Absage an die Monogamie darstellen. Auch das antiquierte Männerbild wird deutlich. Ein Schlüsselsatz des Films: „Ein Mann muss ein Mann sein, er muss nicht wissen lassen, was in ihm vorgeht.“

GITTA DÜPERTHAL