DIE KIRCHEN MÜSSEN SICH GEGEN DEN KRIEG AUSSPRECHEN
: Keine Rücksicht auf Realpolitik

Moral ist im politischen Alltagsgeschäft nicht gefragt. Der Bezug auf ethische oder gar religiöse Überzeugungen ist zu Recht verpönt. Schließlich verlangen wir von der Politik, dass sie Probleme löst, Konflikte regelt und uns ansonsten in Ruhe lässt. Das ist einer der Gründe, warum die Kirchen in Deutschland zunehmend weniger Resonanz finden: Niemand will sich die Moral vorschreiben lassen. Entsprechend empört ist der Aufschrei, wenn Kirchenvertreter etwa Abtreibungen als Tötungen ablehnen oder sich gegen gentechnische Versuche wenden, weil dort Leben zur Disposition gestellt wird. Kirchen und Christen, so die traditionelle Forderung auch in der taz, sollten endlich die Erfordernisse der modernen und säkularen Zivilgesellschaft anerkennen.

Wenn dann die Zivilgesellschaft zu militärischen Mitteln greift und Bomben wirft, ändern sich die Maßstäbe. Der Papst, sonst bestenfalls ein seniler Fundamentalist, wird zum geachteten radikalpazifistischen Weltgewissen. Die Kirchen füllen sich, und auch Menschen, die sich nicht als Christen bezeichnen, verlangen von den Kirchen wie jetzt etwa von der Synode der EKD, ein deutliches Wort gegen den Krieg. Not lehrt offensichtlich beten.

Und das ist auch richtig so. Denn die Kirchen und Religionsgemeinschaften müssen die Probleme der Gesellschaft aus eigener Sicht beurteilen, sie dürfen sich nicht zum verlängerten Arm des Staates machen. Das Falscheste, was die Kirchen tun können, ist die Anbiederung an den Zeitgeist, an den Staat, an das gerade gängige Modell der politischen und ökonomischen Machtverhältnisse. Diese Meinung vertreten zwar auch die konservativen Hardliner in den Kirchen – doch das macht sie nicht in jeder Beziehung falsch. Natürlich müssen die Religionen darauf achten, sich nicht in ein Wolkenkuckucksheim zurückzuziehen, wo sie den Kontakt zu den Menschen verlieren. Doch die „Realpolitik“, das diplomatische Verhältnis zu den USA oder die rot-grüne Koalitionsarithmetik – all das kann und muss den Kirchen gleichgültig sein, wenn sie diesen Krieg beurteilen sollen. Wenn sie sich an ihren eigenen Maßstäben messen, können sie die Bombardierung Afghanistans und den Einsatz deutscher Soldaten nur ablehnen. Denn beide Kirchen haben gefordert, Krieg nur als letztes Mittel anzuwenden, wenn Klarheit über den Zweck, die Mittel und die zeitliche und räumliche Begrenzung des Konflikts besteht. Keine dieser Bedingungen ist aktuell erfüllt. Wenn die Kirchen sich selbst und ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, haben sie nur eine Wahl: Diesem Krieg ihren Segen zu verweigern. BERNHARD PÖTTER