Zu viele kulturelle Fehltritte

Noch immer kein Kultursenator: Freie Akademie der Künste fragt Ole von Beust, ob er auch ohne Wirtschaftssenator angetreten wäre  ■ Von Petra Schellen

Kein Kultursenator. Nirgends. Des Name-Catchings müde geworden, rechnete niemand mehr mit Wortmeldungen. Aber – die Stadt bewegt sich doch: In einem Offenen Brief hat sich gestern die Freie Akademie der Künste an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gewandt – spät, „weil wir dem Neuling eine Chance geben wollten“, wie Akademiepräsident Armin Sandig betont. „Und schließlich kann man einen Fehltritt verzeihen, auch zwei.“

Inzwischen hat der Rechtsblock aber etliche Absagen kassiert, und da sei es an der Zeit gewesen, der Sorge darüber, dass Kunst und Kultur zu „Fragen zweiten Ranges“ verkämen, Ausdruck zu verleihen und eine „angemessene Lösung“ anzumahnen. Denn Sandig findet es irritierend, dass die Ernennung eines Kultursenators für von Beust „derzeit nicht auf der Tagesordnung“ stehe. Außerdem sei das Dilemma hausgemacht: „Wenn man im Koalitionsvertrag kaum auf die Kultur eingeht, muss man sich nicht wundern, dass keine Person vom Himmel fällt, die das Amt übernehmen möchte.“ Und dass von Beust mit Nike Wagner ausgerechnet die Namensvetterin der antiken Siegesgöttin aus Geiz hat ziehen lassen, sei „ein Witz: Wenn man schon einen solchen Paradiesvogel in der Hand hat, muss man alles tun, um eine Erhöhung des lächerlich geringen Kulturetats von derzeit 2,1 Prozent zu erreichen.“

Überhaupt seien die Verhandlungen bislang am Geld gescheitert: „Ratsam wäre, den Kulturetat auf drei Prozent zu erhöhen, um Gestaltungsspielraum zu bekommen. Denn 95 Prozent der derzeit vergebenen Gelder sind festgelegt, für den Rest gibt es Erbhöfe.“ Und wenn sich der Akademiepräsident auch nicht explizit zum Kulturverständnis des Rechtsblocks äußert, gibt es ihm doch zu denken, „dass von Beust sicher niemals ohne Innen- oder Wirtschaftssenator angetreten wäre.“ Ohne Kultursenator aber sehr wohl.

Großer Schaden sei für die Stadt entstanden, betont der Akademie-Brief, unterzeichnet vom gesamten Präsidium, dem Horst von Basewitz, Hark Bohm, Friedhelm Grundmann, Peter Michael Hamel, Hans Kock, Arno Surminski, Peter Striebeck und Asmus Werner angehören. „Und wer wird, als X-ter gefragt, den Posten noch annehmen – zumal er, da parteilos, nicht einmal als Zünglein an der Waage eine angemessene Finanzierung durchsetzen könnte?“

Mit wem Ole von Beust derzeit im Gespräch ist, war gestern allerdings nicht zu erfahren. Auch ob die Prämisse „weiblich“ weiterhin Vorrang hat, blieb unklar: „Qualität hat Priorität. Wenn es eine Frau würde, wäre es schön“, sagte Senatssprecher Christoph Schnee gestern gegenüber der taz. Und a propos Geld: „Über den Kulturetat wird mit dem möglichen Kandidaten gesprochen. Und wenn der oder die Richtige da ist, sagen wir es Ihnen sofort.“