Naat-naat-naat, Quak-Alarm

Trittbrettente der Saison: Angelika Jahr legt sich beim Erlebniszirkus Pomp Duck and Circumstance auf den Teller

Naat-naat-naat, drei Enten standen am leicht überfrierenden Teich, plusterten sich und schüttelten Wassertröpfchen aus ihrem eingefetteten Gefieder. Und pennten. Ob sie kalte Füße hatten? Und vielleicht sogar einmal mit den Fußsohlen auf dem Eis festfroren? Seitdem es raffiniert rührenden Enten gelang, diese Frage in mir zu implantieren, erscheint es mir schändlich, frittierte Entenfüße zu essen, solange noch Kartoffelchips im Hause sind.

Dabei ist die Ente nicht nur anmutig und anrührend, sondern auch äußerst schmackhaft. In jeder Ente ist der Entenbraten schon antizipiert. So gesehen hat die Ente den Entenjäger anthropologisch erst möglich gemacht. Und uns damit auch Entenlockpfeifen und anderes schönes Getröt beschert. Die Ente ist also inspirierend, gut aussehend und lecker. Wer dies der Ente nicht dankt, ist ein Barbar. Und beim Anblick eines schönen lebendigen Tieres zwanghaft über seine Zubereitung zu grübeln, ist ungefähr so intelligent, wie beim Anblick einer Frau immer und ausschließlich an Sex zu denken.

Es gibt Tendenzvegetarier, die mit dem Nahrungsmittel Huhn kein Problem haben, bei Ente aber mit Empörung in der Stimme nein sagen. Dem Huhn gegenüber ist das unlogisch und gemein. Die Ente gilt halt als süüüß, beinahe so süß wie der allerdings ganz unessbare Pinguin oder der als das Süßeste überhaupt geltende Frosch, der ja auch nicht gegessen wird, außer vom schurkischen Franzosen. Aus Froschperspektive betrachtet sind Franzosen die rundesten, gefräßigsten Störche überhaupt.

Wenn Liebe nicht aufrichtig ist, schlägt sie in Kitsch um. An die Ente wollen sich viele anflantschen. Sie hat Sympathiewerte, von denen Politiker nur träumen können, sie ist rundum positiv besetzt. Das ermuntert manche Trittbrettente.

Am 9. September besuchte ich den gastronomischen Erlebniszirkus Pomp Duck and Circumstance. Essen mit Faxen ist absurd. Genießen hat mit Ruhe zu tun, mit Stille. Dennoch ist die Show erstaunlich unscheiße. Handwerk und Timing des beteiligten artistischen und gastronomischen Personals sind höchst respektabel, die servierten Mahlzeiten mit der Ente als Hauptgang sind so in Ordnung wie die Weine trinkbar. Weil aber der tempobolzende Dreistundenspaß mit Getränken und allem locker 300 Mark pro Nase kostet, findet sich entsprechendes Publikum ein: Wir haben Humor, und den können wir uns aber auch so was von leisten.

Zwei Tage später war es aber auch damit Essig. Seit dem 11. September halten sich nicht wenige Menschen für moralisch tipptopp, weil sie vor dem Volksempfänger hocken, in die Deppenlaterne hineinstieren und sich zum Krieg hetzen lassen. Das ist nicht nur ziemlich blöd, das ist vor allem schlecht fürs Geschäft, und so wird seit einiger Zeit das nicht minder idiotische Gegenteil als die richtige Haltung ausgeschrien: Nur wer jetzt ausgeht, sich amüsiert und Geld ausgibt, bietet dem Terror die Stirn! Wer jetzt nicht denselben Haufen Unfug zusammenlebt wie vorher schon, lässt die Taliban triumphieren! So gesehen sind animierte Ententänzer und Peepshow-Onanisten, sofern sie Geld nachwerfen, mutige, tatkräftige Verteidiger der Freiheit und der westlichen Wertegemeinschaft.

Auch Pomp Duck and Circumstance fühlt die kulturelle Verpflichtung, die Anschläge von New York angemessen zu beantworten und gibt zu diesem Zweck gemeinsam mit dem Gruner + Jahr Verlag ein „Magazin für Esskultur und Lebensart“ heraus, das in Berlin allerlei Zeitungen beigelegt wird. In ihrem Editorial zitiert Verlagsdirektrice Angelika Jahr den Pomp-Duck-and-Circumstance-Impresario Hans-Peter Wodarz: „Es gibt Momente im Leben, da fühlt man sich wie eine Ente.“ Frau Jahr will es dabei nicht belassen und fängt das Extemporieren an: „Diese tiefe Einsicht meines Freundes Hans-Peter Wodarz mag ich besonders gern . . . Sind wir nicht alle hin und wieder Enten? Lebendig auf der Wiese, gebraten auf dem Teller, gedruckt in der Zeitung?“

Angelika Jahr als Ente gebraten auf dem Teller? Das lehne ich ab, denn ich mag Enten.

WIGLAF DROSTE