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: TOBIAS MOORSTEDT und STEFFEN GRIMBERG über den ungewissen Ausgang einer Fußballpartie

Die Angst des Intendanten

Wie schnell sich doch alles ändern kann. Als ARD und ZDF im Gerangel mit dem Kirch-Konzern um die Senderechte für die Fußball-WM 2002 neun dicke Zahlen auf einen Scheck kritzelten, führte die DFB-Auswahl die Tabelle der Qualifikationsgruppe 9 an. Und es schien trotz des hohen Preises ein recht gutes Geschäft zu werden. Denn die deutschen Kicker waren in Form, und den Teamchef rief man „Rudi-Riese“.

Dann schlug vor einigen Wochen das unbarmherzige Gesetz allen Fußballs zu, das besagt, dass die Partie auch mal ein wenig länger dauern kann als 90 Minuten.

Die Unberechenbarkeit des Sports trifft die öffentlich-rechtlichen Unterhändler hübsch unerwartet: Wie sonst lässt es sich erklären, dass es offenbar keine Minderungsregelung im Vertrag mit der Kirch-Gruppe gibt – für den nicht auszudenkenden Fall, dass Rudis Racker zu Hause bleiben müssen? Und warum sonst läuft heute Abend in der ARD eine neue „Herzblatt“-Folge, beim ZDF die Familienserie „Unser Charly“, während die deutschen Kicker in Kiew und auf Sat.1 hoffentlich alles geben?

Doch so kam alles, wie es kommen musste, und als die Rechte für das Hinspiel in der Ukraine versteigert wurden, schlug mal wieder Kollege Kirch zu.

Auf einen erneuten „Preiskampf mit der Kirch-Gruppe“ und die folgenden öffentlich-medienpoltischen Prügel wollten sich die Öffentlich-Rechtlichen auf keinen Fall einlassen. Um jetzt schlimmstenfalls zu sehen, dass sich ihre 220-Millionen-Investition in die WM 2002 überhaupt nicht rechnet, müssen die ARD- und ZDF-Verantwortlichen heute auch noch bei der Konkurrenz gucken.

Die heißt Sat.1. Dem Sender geht’s wegen vieler Entwicklungen im Hause Kirch alles andere als gold, aber heute darf man noch mal lachen: Denn so etwas wie die K.-o.-Spiele gegen die Ukraine hat es im deutschen Fußball noch nicht gegeben. Selbst Sat.1-Geschäftsführer Martin Hoffmann ist euphorisch: „Emotionen sind da garantiert.“ Und: „Wir müssen unseren Jungs die Daumen drücken“.

Dass tut ja auch ARD-Chef Fritz Pleitgen, der in der Zeit schon die Parole für den Tag davor („Gedanken an eine Niederlage sind überflüssig. Hopefully!“) ausgab. Und nur zur Not auch eine für den Tag danach: „Fußball ist nicht kaputtzukriegen“, sagt der „hoch motivierte Zuschauer“ Pleitgen noch, und dann folgte froh-unvermeidliches Pfeifen im Keller: Bei der vergurkten EM 2000 hätten die Zuschauer ja auch weitergeguckt, als die Nationalelf längst rausgeflogen war.

Ja, möchte man dem ARD-Teamchef da zurufen: Aber sie waren überhaupt erst mal dabei! Und die EM war nicht in Asien, und die Spiele liefen nicht mittags anstelle des ARD-Buffets!

Dass weiß ja auch Fritz Pleitgen. Und sagt deshalb noch einen Satz, der so schön ist, dass er eigentlich über jede Anstalt gemeißelt gehört: „Angst darf ein öffentlich-rechtlicher Intendant nicht kennen.“